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Prosument

  Bibliographische Angaben

Prosument

Autorinnen / Autoren:
Mike Weber
Zuletzt bearbeitet:
Jun 2016
Titel:
Prosument
Trendthema Nummer:
2
Herausgeber:
Kompetenzzentrum Öffentliche IT
Titel der Gesamtausgabe
ÖFIT-Trendschau: Öffentliche Informationstechnologie in der digitalisierten Gesellschaft
Erscheinungsort:
Berlin
Autorinnen und Autoren der Gesamtausgabe:
Mike Weber, Stephan Gauch, Faruch Amini, Tristan Kaiser, Jens Tiemann, Carsten Schmoll, Lutz Henckel, Gabriele Goldacker, Petra Hoepner, Nadja Menz, Maximilian Schmidt, Michael Stemmer, Florian Weigand, Christian Welzel, Jonas Pattberg, Nicole Opiela, Florian Friederici, Jan Gottschick, Jan Dennis Gumz, Fabian Manzke, Rudolf Roth, Dorian Grosch, Maximilian Gahntz, Hannes Wünsche, Simon Sebastian Hunt, Fabian Kirstein, Dunja Nofal, Basanta Thapa, Hüseyin Ugur Sagkal, Dorian Wachsmann, Michael Rothe, Oliver Schmidt, Jens Fromm
URL:
https://www.oeffentliche-it.de/-/prosument
ISBN:
978-3-9816025-2-4
Lizenz:
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY 3.0 DE) http://creativecommons.org licenses/by/3.0/de/legalcode. Bedingung für die Nutzung des Werkes ist die Angabe der Namen der Autoren und Herausgeber.

Mit der Industrialisierung geht eine Trennung von Produktion auf der einen und Reproduktion und Konsum auf der anderen Seite einher. Im Bild des Prosumenten werden diese getrennten Sphären unter Zuhilfenahme von IT neu verbunden. Aus zuvor passiven Konsumenten werden aktive Produzenten. Informationen und Elektrizität sowie Musik und Medien waren zunächst die vorrangigen Produktgruppen. Der dramatische Preisverfall für Produktionsmittel wie etwa 3D-Drucker birgt das Potenzial einer deutlichen Ausweitung des Phänomens.

Selbstorganisierte Koproduktion, Sharing und Förderung des Gemeinwohls

In der bundesdeutschen Landschaft gehören Windräder und Solardächer längst zum gängigen Bild. Die Vielzahl dezentraler Produktionsstätten wurde durch starke gesetzliche Eingriffe in den zuvor oligopolistischen Elektrizitätsmarkt möglich: garantierter Netzanschluss, prioritäre Einspeisung und festgelegte Vergütungssätze haben unzählige Organisationen und Haushalte zu Stromproduzenten werden lassen. Der produzierte Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist oder selbst verbraucht; reicht die Eigenproduktion nicht aus, lässt sich Strom zukaufen. Vormals passive Stromkonsumenten werden so zu Produzenten, die selbst und fremd produzierte Elektrizität verbrauchen. Gleichzeitige Produktion und Konsumtion von Gütern zeichnen den Prosumenten aus.

Was durch starke staatliche Regulierung beim homogenen Gut Elektrizität möglich wurde, lässt sich schon länger für die Informationsproduktion und -verarbeitung beobachten. Die Verfügbarkeit global vernetzter Endgeräte erlaubt die einfache individuelle oder gemeinsame Erstellung von Informationsprodukten. Crowdsourcing, selbstorganisierte Koproduktion, Sharing und neue Möglichkeiten zur Förderung des Gemeinwohls können als charakteristisch für solche Produktionsformen angesehen werden.

Begriffliche Verortung

Netzwerkartige Verortung des Themenfeldes
Gesellschaftliche und wissenschaftliche Verortung

Bedeutung der Prosumtion

Der leichte Zugang zu einfachen und preiswerten Produktionsmitteln war und ist wesentlich für die Bedeutung der Prosumtion in der Informationsverarbeitung. Derzeit senken eine ganze Reihe von technischen und gesellschaftlichen Trends die Barrieren für den direkten oder indirekten Zugriff auf Produktionsmittel. Einen indirekten Zugriff eröffnen Open Innovation Strategien, die Forschungsausrichtung und Produktentwicklung auf die Bedarfe von Kundinnen und Kunden ausrichten. Solche Öffnungen, die in Konzepten wie Industrie 4.0 mit passgenau zugeschnittenen Einzellösungen aus industrieller Fertigung ihren Ausdruck finden, verbinden gemeinsame Informationsarbeit mit der Erstellung konkreter Produkte. Immer preiswertere 3D-Drucker erlauben darüber hinaus die eigenständige Produktion und damit den direkten Zugriff auf Produktionsmittel.

Das Potenzial für gesellschaftliche Veränderungen ist bemerkenswert. Prosumtion hebt die durch die industrielle Massenproduktion erforderlich gewordene Trennung von Produktion und Konsum auf respektive und fügt sie neu zusammen. Aus der gerichteten Beziehung zwischen Produzent und Konsument wird eine bidirektionale, die einen polypolistischen Austausch bedarfsgerechter Lösungen nahelegt. Subsistenzproduktion, Nachbarschaftshilfe (siehe Mikroengagement) und Geschäftsmodelle verschwimmen in einem solchen, durch Tauschwirtschaft geprägten Markt. Der Prosument von morgen ist in diesem Sinne dem freien Bauern im Mittelalter näher als der Industriearbeiterin heute. Dies gilt gerade auch in urbanen Räumen, da die selbstständige Produktion (siehe 3D-Drucker) kaum vom klassischen Produktionsmittel Boden abhängt. Der Grad der Entfaltung der gesellschaftlichen Dimension der Prosumtion dürfte dabei weiter stark von Branchenspezifika und staatlichen Interventionen abhängig bleiben.

Themenkonjunkturen

Suchanfragen und Zugriffe auf Wikipedia-Artikel
Wissenschaftliche Publikationen und Patentanmeldungen

Folgenabschätzung

Möglichkeiten

  • Polypolistische Marktstrukturen, die auch einen Rückzug der Marktteilnehmer durch Subsistenz erlaubt
  • Bedarfsgerechte Produkte und Produktionsbedingungen
  • Entstehung und Stärkung innovativer Milieus
  • Höherer gesellschaftlicher Stellenwert reproduktiver Arbeit bei räumlicher Fixierung auf den Haushalt
  • Kundige und machtvolle Beeinflussung verbleibender Industrieproduktion

Wagnisse

  • Tiefgreifender Anpassungsbedarf industrieller Produktion
  • Entstehung eines Prosumentenpräkariats durch massive Selbstausbeutung
  • Marginalisierung von Bevölkerungsteilen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht produzieren können
  • Unkoordinierte und unkontrollierte Minimärkte kaum mehr überblickbarer Produktvielfalt
  • Monetarisierung sozialer Beziehungen

Mittelfristig kein adressierbarer staatlicher Handlungsraum

Das Konzept des Prosumenten birgt das Potenzial, das Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und Wirtschaft neu zu justieren. Wie tiefgreifend die Veränderungen letztlich ausfallen, hängt auch von den gesetzlichen Vorgaben ab. Das Beispiel des EEG zeigt jedoch Grenzen auf. Hier werden alljährlich etliche Milliarden Euro zur Aufrechterhaltung der Änderungsdynamik umverteilt. Letztlich bedarf es einer wirtschaftlich und gesellschaftlich selbsttragenden Eigendynamik.

Bis sich diese in einer Vielzahl von Branchen entwickelt, dürfte es noch einiger technischer Entwicklungen und insbesondere auch Zeit bedürfen. So lange das Veränderungspotenzial des produzierenden Konsumenten nur marginal ausgeschöpft bleibt, dürften starke regulative Eingriffe eher kontraproduktiv sein. Es besteht mittelfristig nur der staatliche Handlungsbedarf, die weitere Entwicklung eingehend zu beobachten und regelmäßig neu zu bewerten.