Föderalismus in Deutschland: Bremse oder Beschleuniger der Digitalisierung?

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Digitalisierung auf Spitzenniveau – zurzeit eher ein Wunsch als Wirklichkeit. Darin waren sich Susanne Dehmel, Geschäftsführerin des Bitkom, Annette Schmidt, Präsidentin der FITKO (Föderalen IT-Kooperation) und ÖFIT-Leiter Peter Parycek schnell einig. Ob dies allerdings am vermeintlich trägen Föderalismus in Deutschland liegt, blieb strittig.
Ein Wesensmerkmal des Föderalismus ist, dass in jedem Bundesland Behörden mit eigenen Handlungsspielräumen agieren – etwa die jeweiligen Datenschutzbeauftragten. So werden große gesellschaftlich Ziele wie die Digitalisierung uneinheitlich und ohne Gesamtstrategie verfolgt. Susanne Dehmel schlug vor, den Ländern für wichtige Vorhaben, wie beispielsweise die Digitalisierung der Bildung, eine Schablone an die Hand zu reichen.
Peter Parycek gab zu bedenken, dass gerade bei der Bildung die Stärke der Vielfalt des Föderalismus genutzt werden könnte, indem unterschiedliche innovative, kreative Bildungskonzepte entwickelt werden können, gerade weil es keinen Konsens über das »beste« Bildungskonzept gibt. Die Länder könnten so voneinander lernen und erfolgreiche Ideen einfach übernehmen und auch ganz unterschiedliche Stärken bei den Jugendlichen fördern. Ein bundeseinheitliches Vorgehen wäre schwer steuerbar, schwerfällig und könnte zu stillem Widerstand in den Ländern führen.
Für den fehlenden Fortschritt sei viel mehr die mangelnde Aufbruchstimmung insgesamt verantwortlich. Die Liebe zum Papier stehe oft im Weg. Das deutsche Perfektionsdenken vereitle häufig Innovationen. So spiele die Mentalität eine bedeutendere Rolle für das langsame Vorankommen der Digitalisierung als der Föderalismus.

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Stattdessen müsse digital-technische Expertise schon bei der Arbeit am Gesetzentwurf eingebunden werden, um Möglichkeiten der Automatisierung später nutzen zu können. Um die nötigen Köpfe zu gewinnen, brauche es mehr Durchlässigkeit im Dienst- und Tarifrecht, so die einhellige Meinung.
Die Corona-Pandemie habe uns gezeigt, dass schnelle Digitalisierung möglich ist. So gehen mittlerweile die Mehrzahl der Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen davon aus, dass sich die Zahl der Präsenztage im Büro deutlich reduzieren wird. Der freigesetzte Schub an Möglichkeiten und Willenskraft sollte darüber hinaus von allen Seiten weiterhin genutzt werden, um flexibler und agiler handeln zu können.