Registermodernisierung als übergreifende Modernisierungs-Chance staatlicher Leistungen

In dieser mehrteiligen Blogreihe werden zentrale Aspekte der Registermodernisierung beleuchtet und technische, juristische sowie verwaltungspraktische Perspektiven eingebracht. Ziel ist es darzulegen, wie digitale Register bürger:innennah und sicher gestaltet werden können. Gleichzeitig sollen Hintergrundwissen vermittelt, aktuelle Entwicklungen eingeordnet und verschiedene Sichtweisen auf die Registermodernisierung dargestellt werden.
Die Registermodernisierung rückt zunehmend in das Bewusstsein von Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung und das der Bürgerinnen und Bürger. In erster Linie werden dabei Antragsvorgänge bei der öffentlichen Verwaltung gesehen, die durch internen Behördendatenaustausch deutlich vereinfacht werden und nicht mehr das Beibringen diverser Unterlagen, die sowieso schon in anderen Behörden vorliegen, erfordern. Diese Darstellung greift aber bei weitem zu kurz.
Vertrauen in den Staat
Immer wieder wird Bürokratie beklagt, wenngleich selten im Detail erläutert wird, was jeweils damit gemeint sein soll. Einen Willkürstaat, der ohne Regeln arbeitet, möchte vermutlich niemand. Effiziente Prozesse sind kein Luxus für einen Staat und Personaleinsparungen sind auch kein Selbstzweck. Beides wirkt sich für ein Land als Standortfaktor aus. Insofern profitieren Bürgerinnen und Bürger nicht nur bezüglich ihrer eigenen Behördenkontakte, sondern auch dadurch, dass eine umgesetzte Registermodernisierung den Standort Deutschland stärken kann. Erfolgreiches Staatshandeln wiederum erhöht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihren Staat und stärkt die Demokratie. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass die IT-Systeme und Daten des Staates entsprechend geschützt werden. Cyberkriminalitätsvorfälle sind nicht nur geeignet, Vertrauen in den Staat zu untergraben, sie können, je nachdem mit welcher Absicht sie erfolgt sind, auch in hohem Maße Personen oder Personengruppen gefährden.
Eine umfassende Strategie ist gefragt!
Besonders zentral ist, dass der Staat strategisch handelt und seine Leistungsprozesse sukzessive einheitlich, europaweit anschlussfähig und ressortübergreifend fachlich widerspruchsfrei aufsetzt. Das beinhaltet eine umfassende Zusammenarbeit ansonsten getrennt arbeitender Ressorts, die beispielsweise immer noch gleiche Begrifflichkeiten für unterschiedliche Dinge verwenden. Dabei müssten jegliche Leistungen gemeinsam neu betrachtet werden. Das obige Eingangsbeispiel baut auf bestehenden Lösungen auf. Das aktuelle Vorgehen stößt jedoch an seine Grenzen. Mit einem übergeordneten Blick können Synergiemöglichkeiten genutzt werden, die unter anderem darin münden, dass nicht mehr etliche IT-Lösungen für gleiche Leistungen betrieben werden. Insgesamt bedarf es großer Anstrengungen zur Vereinfachung, gegebenenfalls auch zur Bündelung oder Streichung von Leistungen sowie zur Vereinheitlichung von Prozessen. Vereinfachungen wären etwa denkbar, falls man Leistungen weniger individuell zuschneidet, sofern sich dadurch die Komplexität der Leistungsgewährung reduziert und der vereinfachte Prozess weitgehend (bis auf Zustimmung zum Datenaustausch) vollautomatisch erfolgen könnte. Allerdings wäre hiermit ein Paradigmenwechsel verbunden, für den zunächst um gesellschaftliche Akzeptanz geworben werden müsste.
Diverse Sichten auf digitale Lösungen sind gestaltungsrelevant
Diese Ausführungen zeigen, dass der Begriff Registermodernisierung nicht allein den Datenaustausch zwischen bestehenden, im Registermodernisierungsgesetz festgelegten Registern, das heißt fachspezifisch entstandenen Datenbanken, umfassen soll. Es geht darum, sich aus einem mindestens nationalen, übergeordneten Blickwinkel insgesamt mit E-Government-Architekturen zu befassen, also mit unterschiedlichen Sichten auf wesentliche Strukturen, die elektronisches Verwaltungshandeln ermöglichen.
Dazu zählt zum einen ein Blick auf die Daten, die unser Staat insgesamt für seine Handlungsfähigkeit benötigt und die überall in der Verwaltung die gleiche Bedeutung und die gleichen technischen Formate haben sollten. Ebenso geht es um die in Verbindung mit diesen Daten stehenden öffentlichen Leistungen und Prozesse. Diese Überlegungen sind zunächst unabhängig von der technischen Realisierung, die aber natürlich schließlich, wenn es um effektive Realisierungen geht, in den Vordergrund rücken muss.
Sicherheitsbetrachtungen ergänzen diese Perspektive um eine weitere, besonders sensible Dimension, etwa beim Datenschutz. Dabei geht es vor allem um die Sicherheit personenbezogener Daten. Seit dem Registermodernisierungsgesetz lassen sich vorliegende Daten aus gesetzlich festgelegten Registern über die steuerliche Identifikationsnummer eindeutig einer natürlichen Person zuordnen. Sie werden aber, auch in Zukunft, nicht zentral abrufbar sein. Das bedeutet, dass sich über einen einzelnen erfolgreichen Hacking-Angriff jeweils nur Ausschnitte personenbezogener Daten gewinnen lassen, nicht aber alle zu einer Person vorliegenden staatlichen Informationen. Damit sinkt nebenbei die Attraktivität für solche Angriffe.
Für umfassendere staatlich gewollte Zugriffe, etwa für Forschungszwecke, sollen eigene Lösungen mit zuvor anonymisierten Daten geschaffen werden. Wenn es zur Sicherung der Anonymität notwendig erscheint, werden dazu auch Daten aggregiert – etwa durch die Berechnung von Durchschnittswerten von für die Forschung gewünschten Personenmerkmalen. Das soll, auch mit Blick auf die deutsche Geschichte, den Missbrauch der erhobenen Daten bei sich verändernden politischen Verhältnissen verhindern. Grundsätzlich hat der Staat aber alle von ihm erhobenen und ihm anvertrauten Daten, nicht nur personenbezogene, mit einer hohen Sorgfaltspflicht zu sichern.
Mögliche Engpässe im Blick haben
Der Austausch verschiedener Register – ein damit verträgliches Datenmodell vorausgesetzt – wird zwischen Behörden nur dann funktionieren, wenn auf das möglicherweise die Netze belastende Datenvolumen und den damit verbundenen Prüf- und Zugriffsaufwand auf Seiten der Register ein besonderes Augenmerk gelegt wird. Dies gilt auch bei technisch leistungsfähiger Umsetzung, selbst wenn das Datenaustauschvolumen hoch ist. So sollte in der Einführungsphase von neuen Leistungsprozessen, die auf direktem Registeraustausch basieren, ein Monitoring erfolgen. Der Zugriff auf häufige Austauschinhalte muss gegebenenfalls in besonderer Weise unterstützt werden. Gegebenenfalls müssen Inhalte in den Registern in neuer Weise angeordnet werden, um Anfragen schnell genug bedienen zu können.
Beschäftigte mitnehmen
Das Wissen über interne Abläufe und Sicherheitsmechanismen sollte zudem fester Bestandteil der Ausbildung von Verwaltungsfachkräften werden. Noch ist der Wissensstand über Datenhaltung und Softwarerealisierungen sowie Möglichkeiten zu deren Organisation, wenn man von den Studieninhalten entsprechender Studiengänge für die öffentliche Verwaltung ausgeht, gering. Das verhindert aber, dass Beschäftigte die Lösungen, an denen gearbeitet wird, tatsächlich angemessen bewerten können. Dies aber wiederum ist – neben einer guten Einführung in neue Systeme – wichtig, um neue Lösungen nicht nur bedienen, sondern auch positiv annehmen und im besten Falle sogar in ihrer Einführung unterstützen zu können.
Gastbeitrag von Prof. Dr. Dagmar Lück Schneider


