Transparenz als Schlüssel: ein Weg zur Stärkung des Bürgervertrauens

DigitalService / Kay Herschelmann

Ein Überblick über alle Beiträge dieser Reihe befindet sich hier: Blogreihe Open SourceNur noch 35 Prozent der Bürger:innen in Deutschland vertrauen dem Staat. Diese Zahl aus dem aktuellen eGovernment Monitor ist alarmierend. Als DigitalService, der Digitalisierungseinheit des Bundes, haben wir es zu einem unserer Ziele erklärt, das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen zu stärken. Eine zentrale Komponente für dieses Vorhaben ist es, auf Open-Source-Lösungen zu setzen. In diesem Blogbeitrag zeigen wir, wie wir Open Source verstehen, wie wir das Prinzip von offenem Quellcode in die Verwaltung bringen wollen – und gehen darauf ein, warum Open Source eben »nicht nur« ein offener Code im Internet ist, sondern auch viel mit Communitybuilding und Kommunikation zu tun hat.

Vorab zur Verortung: Der DigitalService arbeitet seit 2020 mit Bundesministerien und -behörden an bewusst ausgewählten Digitalisierungsvorhaben entlang der gesamten Wertschöpfungskette von digitalen Angeboten: von Gesetzgebung bis (Weiter-)Entwicklung. Wir haben daher den Raum und die einzigartige Möglichkeit, die digitale Transformation der Verwaltung aktiv mitzugestalten.

»Working in the Open« als Unternehmenswert

Wenn wir Projekte mit Bundesministerien und -behörden initiieren, legen wir bereits in der Ausarbeitung des Vertrags Wert darauf, dass einer unserer zentralen Unternehmenswerte gewährleistet ist: Working in the Open / Arbeite offen. Dieser Wert heißt bewusst nicht »Arbeite Open Source«, denn wir verbinden offenes Arbeiten mit mehr als nur lizenzrechtlichen Fragen.

Für die Projekte bedeutet das Prinzip, dass wir all unseren Quellcode wie auch unsere Vorgehensweisen mit der Öffentlichkeit teilen. Mit Blick auf den reinen Code tun wir das, indem wir unsere gesamte Entwicklungsarbeit öffentlich auf der Plattform GitHub stattfinden lassen. Anstatt im Nachgang den fertigen Code hochzuladen, arbeiten unsere Entwickler:innen von Beginn an offen auf GitHub, lassen sich sozusagen bei der Arbeit digital über die Schulter schauen. Aktuell teilen wir 60 Repositorys mittels unseres Github-Profils mit der Öffentlichkeit. Die Mehrheit der Repositorys verfügen über eine Dokumentation in Form einer readme.md-Datei und einen Code of Conduct. Wir sehen darin mehrere Vorteile: Zum einen können wir ganz praktisch von Feedback aus der Fachcommunity lernen. Wir laden andere Entwickler:innen aktiv dazu ein, sich mit unserem Code auseinanderzusetzen und uns darauf aufmerksam zu machen, was wir noch verbessern können. Dieser Austausch ist für uns besonders wertvoll.

Auch, wenn wir nicht immer überall und stetig Feedback bekommen, so senden wir mit der Offenlegung des Codes aber gleich mehrere Signale in die IT-Community, an interessierte Nutzer:innen und auch die Verwaltung: Wir wollen offen arbeiten und wir wollen, dass aus den Steuergeldern, die für unsere Projekte aufgewendet werden, das Bestmögliche für die Bürger:innen herausspringt. Wir laden andere Stakeholder ein, unseren Code zu nutzen und für ihre Zwecke anzugleichen. Gleichzeitig zeigen wir transparent, was wir mit den Mitteln, die uns zur Verfügung gestellt werden, gestalten. Das ist in der Verwaltung bisher nicht Usus – sollte es aber auf Dauer werden. Ein Vorteil davon, öffentlicher Akteur zu sein, ist nämlich, dass wir unseren Quellcode nicht aus proprietären Gründen schützen müssen, sondern den von öffentlichen Geldern finanzierten Code auch wieder mit der Öffentlichkeit teilen können – und aus dieser Transparenz sogar die oben genannten Vorteile ziehen.

Servicestandard-Selbstaudits

Die Transparenz stellen wir nicht nur durch den Code sicher. »Working in the Open« heißt für uns auch, dass wir unsere Arbeitsweise und -methoden nach außen kommunizieren. Dies tun wir über unseren eigenen Unternehmensblog. Wir teilen dort offen, wie unsere Teams Methoden aus der agilen Software-Entwicklung in die Verwaltung tragen. Andere Themen sind Insights in unsere Design-Entscheidungen oder die Organisation der Zusammenarbeit zwischen unseren interdisziplinären Entwicklungsteams und den Projektpartner:innen in der Verwaltung. Nicht zuletzt teilen wir sogar unsere Projektverträge und sogenannte Selbstaudits auf unserer Homepage, in denen wir überprüfen, inwiefern unsere Produkte den Prinzipien des »Servicestandards für die digitale Verwaltung« des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) entsprechen, der gelungene digitale Entwicklungspraxis definiert. Gewissermaßen nutzen wir mit dem Servicestandard übrigens selbst ein »offenes Tool«. Ursprünglich ist er für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes entwickelt worden. Wir haben in ihm einen großen Mehrwert erkannt und nutzen die Kriterien darum auch für unsere anderen Produkte. Gleichzeitig sind wir im Austausch mit dem BMI, wie der Servicestandard noch weiter verbessert werden könnte. Und Punkt 13 des Servicestandards sagt sogar: »Der Quellcode (oder Quellcodes) aus der Realisierung digitaler Angebote der Verwaltung (Eigenentwicklung) wird als Open Source, das heißt in nachnutzbarer Form mit kostenfreier, eine Veränderung gestattender Lizenzierung, zur Verfügung gestellt.« Da halten wir uns doch gern dran.

Wir möchten durch unsere Transparenz andere dazu ermutigen, ebenfalls diesen Schritt zu gehen. Durch diese Form der Kommunikation machen wir öffentlich auf die Vorteile von nutzerzentriertem Arbeiten in der Verwaltung aufmerksam und können so Akzeptanz für diese Form der Arbeit gewinnen. Denn wir sind überzeugt: offene und nutzerzentrierte Programme, die speziell auf die Bedürfnisse der Bürger:innen zugeschnitten sind, sorgen dafür, dass die Nutzungsraten von Angeboten der digitalen Verwaltung steigen. Das wiederum führt zur Steigerung des Vertrauens seitens der Bevölkerung in die digitale Leistungsfähigkeit der deutschen Verwaltung.

Engagement in »Communitys of Practice«

Das Prinzip Open Source hört aber auch bei diesen Bemühungen nicht auf. Es gibt viele Player im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung, die vergleichbare Ideen und Initiativen einbringen. Wir freuen uns immer wieder, wenn wir darüber mit ihnen in den Austausch gehen und in sogenannten »Communitys of Practice« zusammenkommen. Klar ist dabei: Netzwerken macht man nicht nebenbei, sondern ist ein relevanter Teil der Arbeit. Für uns gehört dazu, dass wir uns aktiv in Communitys einbringen, indem wir Vorträge halten oder Treffen besuchen. Genauso wichtig ist es aber auch, dass wir Communitybuilding und -management betreiben. Das kann zeitaufwendig sein, zahlt sich aber aus: Aus der Communityarbeit nehmen wir wertvolle Impulse mit. Das Prinzip einer Community und Open Source gehen dabei Hand in Hand: Es geht darum, Erfolge wie auch Rückschläge mit anderen zu teilen und gemeinsam Lösungen für bestehende Probleme zu finden. Es geht darum, Synergien zu entdecken und einander bei (ähnlichen) Herausforderungen zu helfen. Es geht letztendlich auch darum zu zeigen, dass man mit der Herkulesaufgabe Verwaltungsdigitalisierung nicht alleine ist. Wir arbeiten gemeinsam auf ein Ziel hin und schaffen so ein »Wir-Gefühl«. Man kann gar sagen: Eine funktionierende Community ist das Herzstück jedes erfolgreichen Open-Source-Projekts. Sie ist das Rückgrat, das eine dauerhafte und nachhaltige Entwicklung eines jeden Open-Source-Projekts ermöglicht.

Daher war es für uns ein logischer Schritt, dass wir im Oktober 2023 zusammen mit Andreas Reckert-Lodde, Interimsgeschäftsführer des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS), im Rahmen des NExT-Netzwerks die Community »Open Source in der Verwaltung« gegründet haben. Hier soll eine Plattform zum Austausch entstehen, in der sich Akteur:innen aus dem Bereich der Verwaltungsdigitalisierung treffen und austauschen können.

Offen arbeiten, Vertrauen stärken

Blicken wir zurück: Was haben all diese Initiativen damit zu tun, dass das Vertrauen in die digitale Verwaltung wieder steigt? Wie erhöhen wir die eingangs zitierte Zahl von 35 Prozent (Vertrauen der Bevölkerung)? Indem wir unseren Code, unsere Arbeitsweisen, unsere Hürden und Erfolge offen mit Bürger:innen wie auch der Fachcommunity teilen, erreichen wir viel mehr als nur Aufmerksamkeit. Wir geben die Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung an Projekten, die an der Schnittstelle Staat / Bürger:innen ansetzen.

Gemeinsam mit anderen Stakeholdern sorgen wir so für einen nachhaltigen Wissensaufbau im Bereich der digitalen Verwaltung, indem wir eine (noch kleine) Bibliothek an Code aufbauen. Durch das Feedback lernen wir, was wir besser machen können. Wir sehen, wie andere unseren Code oder unsere Methoden nutzen, um sie auf ihr Problem anzuwenden. Wir lernen neue Akteur:innen kennen, mit denen wir uns austauschen. All dies führt dazu, dass die Leistungen, die später bei den Bürger:innen ankommen, auf sie zugeschnitten sind. Es macht die Produkte nutzerzentrierter und damit schlichtweg besser. Das führt zu einem positiven Erlebnis von Bürger:innen bei der Anwendung digitaler Verwaltungsleistungen – und einem neuen Vertrauen in das, was der Staat auf digitale Weise für sie leisten kann.

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