Vorstellung des Deutschland-Index der Digitalisierung 2025: Viele Wege, ein Ziel

 Mittwoch, 25.06.2025, 10:45 - 11:45 Uhr
 Auf dem 11. Zukunftskongress Staat & Verwaltung, WECC - Westhafen Event & Convention Center, Westhafenstraße 1, 13353 Berlin

Auf dem 11. Zukunftskongress Staat & Verwaltung stellte unsere stellvertretende Leiterin Nicole Opiela die aktuellen Ergebnisse des »Deutschland-Index der Digitalisierung 2025« vor. Diese Ergebnisse wurden in einer anschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Alinka Rother mit folgenden Gästen diskutiert:

  • Frau Ministerin Dörte Schall (Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz)
  • Herr Staatssekretär Dr. Markus Richter (Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung)
  • Frau Dr. Uda Bastians (Dt. Städtetag)
  • Frau Dr. Annika Busse (Senat der Freien und Hansestadt Hamburg)
  • Herr Prof. Dr. Peter Parycek (Leiter ÖFIT)

Abbildung 1: Podiumsdiskussion zum Deutschland-Index der Digitalisierung mit Prof. Peter Parycek, Staatssekretär Dr. Markus Richter, Dr. Uda Bastians, Ministerin Dörte Schall, Dr. Annika Busse und Alinka Rother (v. l. n. r.) | © Wegweiser & Media Conferences GmbH/Jens Jeske

Die Ergebnisse des Deutschland-Index der Digitalisierung

Der Deutschland-Index vergleicht die Bundesländer in den Bereichen digitale Infrastruktur, Nutzung digitaler Möglichkeiten im Alltag und digitale Verwaltung. Wie Nicole Opiela darlegte, zeichnen die Ergebnisse ein gemischtes Bild: Während die digitale Infrastruktur immer leistungsfähiger wird und die Zufriedenheit der Bürger:innen mit den Online-Angeboten ihrer Kommunen hoch bleibt, stagniert die Anzahl der Nutzenden von Onlineverwaltungsleistungen und das Niveau digitaler Basiskompetenzen in der Bevölkerung sinkt.

Ministerin Dörte Schall verwies auf die teils recht große Zeitspanne zwischen der Bereitstellung eines Angebots für Onlineverwaltungsleistungen, der flächendeckenden Ausweitung sowie der Annahme durch die Bürger:innen. Rheinland-Pfalz habe gerade erst einen Preis für die konsequente Anwendung des “Einer für Alle” (EfA)-Prinzips gewonnen.

Dr. Uda Bastians knüpfte an das Gesamtbild bei den OZG-Leistungen an und nannte die Zahl von 39 Prozent verfügbarer OZG-Leistungen “erstaunlich gering”. Sie bezeichnete es als alarmierend, dass die Nutzung stagniere, obwohl viele Ressourcen in Angebote investiert würden, und forderte eine frühere Einbindung der Kommunen zur Erhöhung der Praxistauglichkeit.

Dr. Annika Busse zeigte sich erfreut über das gute Abschneiden Hamburgs. Auch übergreifend habe es gerade bei den OZG-Leistungen einen großen Sprung nach vorn gegeben. Gleichzeitig stellte sie die zentrale Frage in den Raum: “Wir stellen alles zur Verfügung, doch wo hakt es bei der Nutzung und Akzeptanz?”

Staatssekretär Dr. Markus Richter sah in den Zahlen ein “ermutigendes Zeichen”, betonte jedoch, dass der Fokus nicht nur auf der Erstellung, sondern vor allem auf der Auslieferung und dem Ankommen der Leistungen liegen müsse. Bisher habe der Fokus auf den Ländern gelegen, die die Leistungen zur Verfügung stellen, künftig sollten auch die Kommunen stärker eingebunden werden. Zudem sei es sinnvoll, das EfA-Prinzip weiter zu denken. Letztlich gehe es um einen Changeprozess, nach dem komplexere Fälle auch künftig bei den Sachbearbeiter:innen verblieben. Dies müsste sich auch in der Bemessung der Arbeit widerspiegeln.

Prof. Dr. Peter Parycek zeigte sich von der Stagnation der Nutzung überrascht. Er plädierte dafür, die Gründe hinter den Zahlen zu analysieren und künftig Prozesse noch konsequenter auf Digitaltauglichkeit zu prüfen und dabei Ende-zu-Ende zu denken – vom Paragrafen bis zur Implementierung in der Kommune.

Abbildung 2: Übergabe des Deutschland-Index der Digitalisierung 2025 mit Prof. Peter Parycek, Dr. Uda Bastians, Ministerin Dörte Schall, Nicole Opiela und Staatssekretär Dr. Markus Richter | © Michel Koczy / Fraunhofer FOKUS

Angebot und Verfügbarkeit von Onlineverwaltungsleistungen - Wie Skalierung gelingen kann

Der erste Themenblock widmete sich der Herausforderung, dass das Angebot an Onlineleistungen zwar bundesweit wächst, Fortschritt und Dynamik dieses Wachstums von Land zu Land jedoch sehr unterschiedlich ausfallen.

Ministerin Dörte Schall erklärte den Erfolg von Rheinland-Pfalz bei der konsequenten Nachnutzung nach dem EfA-Prinzip mit dem intensiven Austausch zwischen allen Ebenen bis hin zu den Verwaltungsgemeinschaften und Gemeinden. Dies verbreite Best Practice-Lösungen und motiviere Kommunen im kollegialen Wettbewerb untereinander. In vielen Kommunen gebe es Treiber der Digitalisierung, denen auch entsprechende Handlungsspielräume eingeräumt werden müssten. Die unkomplizierte Finanzierung durch das Land motiviere die Kommunen zusätzlich.

Dr. Annika Busse nannte eine frühzeitig gesetzte politische Priorität, eine klare Digitalstrategie, kompetente Mitarbeitende und eine zentrale Finanzierung als zentrale Erfolgsfaktoren. Die aktuelle Herausforderung sei es, hohe Standards für Onlinedienste und Daten bei großer Heterogenität neuer Dienste sicherzustellen.

Staatssekretär Dr. Markus Richter wies darauf hin, dass hinter den digitalen Zugängen viele Fachverfahren von monopolistischen Anbietern stünden. EfA müsse neu definiert und Infrastrukturen zur Verfügung gestellt werden. Es sei notwendig, gewachsene Monolithen aufzubrechen, da dies angesichts der aktuellen Entwicklungen ohnehin unvermeidbar sei. Mithilfe der föderalen IT-Strategie wolle man eine gemeinsame Betriebsumgebung schaffen. Hinzu kämen der Deutschland-Stack und die Deutschland-Architektur. Auf Bundesebene gebe es nun eine Ausgabenkontrolle, um diesen Prozess zu unterstützen und Doppelentwicklungen zu vermeiden.

Aus kommunaler Sicht benannte Dr. Uda Bastians die Finanzierung als eine der größten Hürden. Eine verlässliche und pauschale Finanzierung sei essenziell. Zudem forderte sie standardisierte Basiskomponenten, klare Datenmodelle und eine “Backend-First”-Strategie sowie Adapter, um die Kommunen mit zentralen Angeboten zu entlasten.

Prof. Dr. Peter Parycek schlug eine Reform des EfA-Prinzips vor, hin zu einer “Koalition der Willigen”. Anstatt in langwierigen Abstimmungsprozessen den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, sollten einige Länder vorangehen, Dienste entwickeln und betreiben – und dabei für die Beteiligung anderer Länder offenbleiben. Dies ermögliche maßgeschneiderte Lösungen für die vielfältigen Bedürfnisse der Länder. Ausgehend von einem gemeinsamen Tech-Stack gehe es darum, die Dynamik der Länder zu stärken.

Staatssekretär Dr. Markus Richter betonte, alle müssten sich öffnen. Es stünden massive Änderungen in der IT-Landschaft bevor, die auch Dienstleister und Fachverfahrenshersteller beträfen.

Zugang und Nutzung – Wie digitale Dienste bei den Bürger:innen ankommen

Abbildung 3: Podiumsdiskussion zum Deutschland-Index der Digitalisierung mit Dr. Uda Bastians, Ministerin Dörte Schall und Dr. Annika Busse (v. l. n. r.) | © Wegweiser & Media Conferences GmbH/Jens Jeske

Der Deutschland-Index zeigt: Das Angebot an Onlinediensten wächst und die Zufriedenheit der Bürger:innen mit dem Onlineangebot der eigenen Stadt oder Gemeinde ist hoch. Dennoch stagniert der Anteil der Bürger:innen mit einem Verwaltungsanliegen, der Anträge oder Formulare auch online an Behörden übermittelt.

Für Ministerin Dörte Schall sind die “Digitalbotschafter” in Rheinland-Pfalz ein Schlüssel zum Erfolg. Diese ehrenamtlichen Unterstützer:innen helfen Bürger:innen bei digitalen Fragen und bauen Unsicherheiten ab, auch im Umgang mit Onlinediensten der Verwaltung. Ihr entscheidender Appell: »Ein Prozess, den man digital macht, wird nicht automatisch besser. Er muss besser sein als der analoge Weg.« Als Beispiel nannte sie die Beantragung eines Anwohnerparkausweises: So sei in einer Kommune im Zuge der Digitalisierung die Beantragung per einfacher E-Mail an die zuständige Sachbearbeitung durch ein mehrseitiges, äußerst komplexes Onlineformular ersetzt worden.

Dr. Annika Busse erklärte, Hamburg setze bei seinem Onlineangebot konsequent auf Nutzendenzentrierung. So gebe es verschiedene Zugänge zu den Leistungen, beispielsweise über Themen oder auch eine Liste der Top-Leistungen. Diese Zugänge seien den Bürger:innen über Online wie Offline-Marketingmaßnahmen bekannt gemacht worden. Zudem setze auch Hamburg auf »Digitallotsen« in den Bürgerämtern, die beispielsweise dabei helfen würden, die PIN der eID zurückzusetzen. An verschiedenen Stellen in der Stadt gebe es Popup-Stände, an denen man sich zu spezifischen Verwaltungsthemen informieren könne. Neue Technologien, wie künstliche Intelligenz, würde unter anderem für leichte Sprache genutzt. Darüber hinaus arbeite Hamburg an einem Wohngeldassistenten nach dem Einer-für-Viele-Ansatz.

Staatssekretär Dr. Markus Richter sprach sich für einen Schritt in Richtung digital only aus. Wo digitale Angebote existieren, sollte ihre Nutzung verbindlich werden, wobei Lotsen in Bürgerämtern als Assistenz dienen könnten. Die parallele Aufrechterhaltung digitaler wie analoger Wege sei auf längere Sicht finanziell und ressourcentechnisch zu aufwändig. Zudem gehe es darum, die Wirtschaft stärker in den Fokus zu nehmen, da sie eine höhere Zahl an Behördenkontakten habe. Die EUDI-Wallet könne die Marktdurchdringung weiter erhöhen.

Dr. Uda Bastians sah in einer einfachen Authentifizierung und der Bündelung von Leistungen zu Lebenslagen die wichtigsten Hebel. Sie warnte jedoch davor, mit einem reinen digital only-Ansatz Menschen ohne digitalen Zugang auszuschließen. Schließlich gehörten immer noch mindestens 10 Prozent der Bevölkerung zu den sogenannten Nonlinern.

Staatssekretär Dr. Markus Richter erwiderte, etwa 20 Prozent der Bürger:innen kämen mit Formularen nicht zurecht, trotzdem seien sie weiterhin der Standard im Umgang mit der Verwaltung.

Den Schlusspunkt setzte Prof. Dr. Peter Parycek mit einem fundamentalen Appell an die Politik: »Die Wurzel der Komplexität ist oft der Paragraf«. Die Gesetze selbst seien häufig zu kompliziert und auf eine überzogene Einzelfallgerechtigkeit ausgelegt, was einfache und nutzerfreundliche digitale Prozesse verhindere. Er forderte einfachere Gesetze und eine pragmatische Auslegung, bei der Rechtssicherheit gegenüber Einzelfallgerechtigkeit an Bedeutung gewinne, um die Digitalisierung zu erleichtern.

Hier können sie die Vortragsfolien herunterladen.

Die Publikation »Deutschland-Index der Digitalisierung 2025« sowie das begleitende interaktive Online-Tool finden Sie unter:
https://www.oeffentliche-it.de/deutschland-index/.