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BIM als Grundstein für die digitale Baugenehmigung

BIM als Grundstein für die digitale Baugenehmigung

Quelle: Stadt Bochum, VSK Software GmbH, Buwog Bauträger GmbH

Gastbeitrag von und

Prof. Markus König leitet seit 2009 den Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und hat bereits zahlreiche Forschungsprojekte im Bereich digitales Bauen (Building Information Modeling) und Bauinformatik geleitet, wobei er maßgeblich zur Weiterentwicklung und Implementierung innovativer Technologien in der Bauindustrie beigetragen hat.

Hannah Exner, M.Sc. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und arbeitet im Bereich Bauinformatik. Sie beschäftigt sich intensiv mit der Forschung und Entwicklung von digitalen Methoden und Technologien im Bauwesen, insbesondere im Kontext von Building Information Modeling (BIM) und deren Umsetzung in die Praxis.

Die Genehmigung eines Bauvorhabens wird häufig verzögert. Gründe dafür sind fehlerhafte Anträge, komplexe Vorhaben, umfangreiche Regelwerke und Fachkräftemangel. Hier soll der Einsatz von BIM (Building Information Modeling) positive Veränderungen bewirken. Digitale Gebäudemodelle sollen in Zukunft auch für Verwaltungsverfahren wie Bauanträge genutzt werden, um diese effizienter zu gestalten.

Im Forschungsprojekt »BIM-basierter Bauantrag« arbeiteten mehrere Partner interdisziplinär zusammen. Dazu gehörten |DA| Drahtler Architekten, das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Dortmund sowie der Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen der Ruhr-Universität Bochum. Ihr Ziel war die vollständige Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens, einschließlich Planung, Antragstellung, Prüfung und Genehmigung. Es wurden Anforderungen an BIM-Modelle definiert, eine Modellierungsrichtlinie (MRL, Abbildung 1) basierend auf der Musterbauordnung (MBO) entwickelt und an die Landesbauordnung NRW (LBO) angepasst.

Um die Kommunikation zwischen den Beteiligten in bauaufsichtlichen Verfahren zu ermöglichen, wird der der XBau-Standard bei der Richtlinienentwicklung berücksichtigt. So soll eine automatisierte Datenübernahme aus BIM-Modellen in digitale Bauanträge über XBau-Nachrichten ermöglicht werden. Auch eine Extraktion von Informationen für die teilautomatisierte Regelprüfung hinsichtlich bauordnungs- und bauplanungsrechtlicher Aspekte soll unterstützt werden. Das Ergebnis ist eine prototypische Software, mit der die Normen- und Richtlinienkonformität sowie beispielsweise Gebäudeklassen, Bruttogrundfläche (BGF), Nutzungseinheiten und Brandschutzanforderungen teilautomatisiert geprüft werden können.

Abbildung 1: Übersetzung der LBO NRW in eine Modellierungsrichtlinie (Quelle: Stadt Bochum, VSK Software GmbH, Buwog Bauträger GmbH)

Evaluierung des BIM-basierten Bauantrags

Die entwickelten Richtlinien und Prüfregeln wurden im Laufe des Projekts aus unterschiedlichen Perspektiven evaluiert; darunter Entwurfsverfasser:innen, Architekt:innen, Ingenieur:innen, Prüfingenieur:innen, Vermessungsingenieur:innen, Bauunternehmen und Baubehörden. Die identifizierten Mehrwerte sowie Herausforderungen zeigt Tabelle 1.

Aspekt Chancen Herausforderungen
Arbeitsprozesse
  • Modellbasierte Erstellung und digitale Übertragung des Bauantrags
  • Effektivere Arbeitsweisen
  • Ressourcenschonende Prozesse
  • Geringerer Klärungsbedarf
  • Erhöhte Transparenz
  • Schnellere Antragsabwicklung
  • Elektronische Archivierung
  • Verbesserte Kommunikation zwischen Antragstellenden und Prüfenden
  • Erweiterte Visualisierungs- und Prüfmöglichkeiten
  • Effektivere und ressourcenschonende Prozesse
  • Schnellere Abwicklung
  • Bessere Visualisierung und Prüfung
  • Aufwand für Software und Schulungen
  • Datenmanipulationsrisiken
  • Anforderungen an Internet- und Breitbandverfügbarkeit
  • Datenverluste
  • Verschiebungen in Leistungsphasen
  • Unklare Aufgabenverteilungen
  • Informationsdopplungen in Fachmodellen
Beteiligte Akteure
  • Verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten
  • Benachteiligung kleinerer Planungsbüros
  • Mögliche Überforderung der Baubehörden
Regulatorische Rahmenbedingungen
  • Transparenz und Nachvollziehbarkeit
  • Zahlreiche Ausnahmeregelungen in Deutschland
Tabelle 1: Identifizierte Chancen und Herausforderungen BIM-basierter Bauanträge

Rechtssichere digitale Unterschriften, software-neutrale Datenformate für Fachmodelle und Portale für den Austausch zwischen Antragstellern und Baugenehmigungsbehörden sind von großer Bedeutung. Ebenso wichtig ist eine bessere Koordinierung der Digitalisierungsbestrebungen der Bundesländer sowie bundesweite Vereinheitlichungen der Baugenehmigungsverfahren. Es gilt, Widersprüche zwischen Arbeits- und Bauordnungsrecht zu beseitigen und verbindliche Modellierungsrichtlinien zu etablieren. Genaue Kenntnisse der zu bebauenden Grundstücke und Prozessoptimierungen im Rahmen der Digitalisierung sind unerlässlich. Auch Rückflüsse aus Fachplanungen in Architektenmodelle, Weiterentwicklungen von Bausoftware, rechtliche Klärungen bezüglich digitaler und modellbasierter Bauanträge, Datenschutz sowie die BIM-fähige Erfassung von Bestandsbauten sind entscheidende Faktoren.

Für die Zukunft des BIM-basierten Bauantrags haben Entwurfsverfasser:innen, Architekt:innen, Ingenieur:innen, Prüfingenieur:innen, Vermessungsingenieur:innen, Bauunternehmen und Baubehörden. Bauunternehmen und Baubehörden konkrete Wünsche und Forderungen formuliert:

  • Verringerung regionaler Unterschiede
  • Digitalisierung von Normen und Richtlinien
  • Vermeidung von Medienbrüchen
  • Vermeidung von Mehraufwänden für alle Beteiligten
  • Schaffung eines einheitlichen Bauportals
  • Überführung von As-Built-Modellen in kommunale Lagepläne und Geoportale
  • Vorverlagerung von Vermessungsleistungen beim digitalen Planen und Bauen
  • Durchführung weiterer Pilotprojekte zur Prozessoptimierung

Bezüglich potenzieller Mehrarbeit durch den entstehenden Modellierungsaufwand ergab eine Umfrage, dass viele Parameter bereits standardmäßig modelliert werden und vordefinierte Property Sets die Eingabe erleichtern.

Weitere Schritte in Richtung Praxis: Erprobung des Konzepts in sieben Kommunen NRWs

Derzeit werden Modellierungsrichtlinie und definierte Prüfregeln im Folgeprojekt »Evaluierung BIM-basierter Bauantrag« hinsichtlich Modellanforderungen, digitaler Kommunikation und technischer sowie organisatorischer Voraussetzungen evaluiert. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Evaluation basiert auf der Begleitung von insgesamt acht Projekten in den Städten Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Herne, Köln (zwei Projekte) und Münster. Daran beteiligt sind die jeweiligen Bauaufsichtsbehörden, Bauherren und Planer. In drei Workshops und regelmäßig stattfindendem Austausch werden projektbezogene Prüfungsschwerpunkte definiert und hinsichtlich der Korrektheit, Vollständigkeit, Verständlichkeit, Anwendbarkeit und des Aufwands zur Nutzung der Modellierungsrichtlinie bewertet. Auf Basis der im Projekt dokumentierten Rückmeldungen von Planenden und Prüfenden soll die Modellierungsrichtlinie iterativ erweitert werden. Während der Begleitphase erhalten Planende und Genehmigungsbehörden kontinuierliche Unterstützung. Dies geschieht durch regelmäßige Termine und individuelle Beratung. Erfahrungen und Ergebnisse werden erfasst und Anregungen für (teil-)automatisierte Prüfungsaspekte dokumentiert.

Die ausgewählten Projekte unterscheiden sich hinsichtlich ihres Projekttyps (Neubau, Erweiterungsbau, Sanierung) und der Art der Bauantragsprüfung: Die grundlegende Motivation für die BIM-Nutzung in den ausgewählten Projekten beschränkt sich nicht nur auf die teilautomatisierte Prüfung von Bauanträgen; sie umfasst teilweise auch die Überführung der BIM-Daten in ein vorhandenes Facility Management-System. In anderen Projekten wurde der Einsatz von BIM vom Planenden initiiert.

Die BIM-basierte Bauantragsprüfung erfolgt teilweise parallel zur konventionellen Prüfung, teilweise davor und teilweise im Nachgang. Eine weitere Variante ist die rein BIM-basierte Bauantragsprüfung. Der Zeitplan der Projekte unterscheidet sich stark voneinander; einige teilnehmende Kommunen haben bereits in drei Workshops Eindrücke und Ideen sammeln können, andere begannen im Winter 2024 mit der Vermittlung von BIM-Grundlagen.

Auch die Form der Dateibereitstellung gestaltet sich auf kommunaler Ebene sehr unterschiedlich. Während einige Kommunen die Dokumente papierbasiert anfordern, arbeiten andere auf Basis von PDF, die z.B. über das Bauportal hochgeladen werden. Wenige Städte arbeiten auch hier rein Modell-basiert (mit der Option, zusätzliche Nachweise als PDF einzureichen).

Das Feedback aus den ersten Workshops mit den Kommunen zeigt einen Konsens hinsichtlich der Prüfungsfokusse: die mittlere Geländehöhe, Abstandsflächen, Brandschutz, Barrierefreiheit und Stellplatzverordnung werden in allen Projekten als denkbare Prüfszenarien vorgeschlagen. Auch ein automatischer Export von Daten aus dem Modell in die Formulare für den Bauantrag stößt in den Workshops auf großes Interesse. Eine derartige Datenübernahme würde weiterhin die Lesbarkeit des Bauantrags gewährleisten, an welcher aufgrund der Diversität in den Kommunen laut Feedback festgehalten werden sollte. Hier wird die Bedeutung der XBau-Kompatibilität erneut deutlich. Im projektübergreifenden Workshop kristallisierten sich die zahlreichen Interessensüberschneidungen heraus; der Austausch zwischen den Kommunen soll gefördert und etabliert werden.

Herausforderungen und Erfolge

Herausforderungen bezüglich der digitalisierten Baugenehmigung ergeben sich aus technischen Hürden, wie der Größenbeschränkung für Dateien im Bauportal, sowie den allgemein hohen Anforderungen an die IT-Sicherheit und die damit verbundenen Prozesse in den Kommunen. Fragestellungen ergaben sich bezüglich der Dokumentation der BIM-basierten Prüfung. Erfahrungen abgeschlossener Projekte haben gezeigt, dass bestehende Fachverfahren – sprich das Abhaken der geprüften Vorgaben – weiterhin bestehen bleiben. Die BIM-basierte Prüfung wird als integraler Bestandteil in dieses Fachverfahren aufgenommen.

Projektinvolvierte bestätigen, dass der Einsatz von BIM die Kommunikation zwischen den Beteiligten erleichtert. Eine effizientere Zusammenarbeit und besseres Verständnis der Projektanforderungen werden ermöglicht. Mithilfe eines Modells wird die Situation von komplexen Gebäudestrukturen sowie die Nachverfolgung von Rettungswegen verständlicher und schneller nachvollziehbar. Im Allgemeinen können Prüfende sich dank teilautomatisierter Abläufe besser auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, denn die Effizienz und Genauigkeit von Prüfprozessen wird gesteigert.

Projektlogo

Details zu den einzelnen Projekten und aktuelle Projektergebnisse finden Sie in Zukunft auf der Projektwebsite: www.bimbauantrag.nrw

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Veröffentlicht: 12.03.2025