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Die interne digitale Transformation der Verwaltung – Stehen die Verwaltungsmitarbeitenden bereits in den Startlöchern?

Die interne digitale Transformation der Verwaltung – Stehen die Verwaltungsmitarbeitenden bereits in den Startlöchern?

Gastbeitrag von

Joana Isabel Visel studierte an der Hochschule der Medien in Stuttgart »Online-Medien-Management«. Seit einem Praktikum im Auswärtigen Amt 2020 arbeitet und forscht sie leidenschaftlich an der Verwaltungsdigitalisierung. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie 2021/22 in ihrer Zeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Kompetenzzentrum Öffentliche IT.

Die Verwaltung gilt in Bezug auf Veränderungen gemeinhin als eher träge, insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung. Doch sind die Beharrungskräfte wirklich so ausgeprägt wie mitunter kolportiert wird? Wagt man einen Blick in die Praxis, lassen sich inzwischen auch einige Veränderungseinheiten finden: Zahlreiche Communities of Practice, das NExT-Netzwerk und die Fellowships von »DigitalServices4Germany« sollen hier nur beispielhaft genannt werden. Wie passen diese beiden Perspektiven zusammen? Sind die Verwaltungsmitarbeitenden eigentlich alle Change Agents in der Startposition, die nur auf den Anpfiff warten?

Diesen und weiteren Fragen bin ich in meiner Bachelorarbeit zum Beitrag proaktiven Verhaltens an der digitalen Transformation der Verwaltung nachgegangen. Unter proaktivem Verhalten werden die »Maßnahmen, die von den Empfangenden von Veränderungen als Reaktion auf organisatorische Veränderungen eingeleitet werden« verstanden, »die entweder ihre Organisation, die Anpassung an die Organisation, oder beides, positiv beeinflussen sollen“ (Oreg et al. 2014, S. 7f). Dies kann die Gründung von Veränderungseinheiten bedeuten. Doch proaktives Verhalten beginnt schon in der täglichen Arbeitsroutine, wie zum Beispiel durch das Nutzen digitaler Tools.

Die Arbeit versucht vor diesem Hintergrund folgende Leitragen zu beantworten:

  1. Wie ausgeprägt ist die individuelle Bereitschaft zu proaktivem Verhalten der Mitarbeitenden der Bundesverwaltung in Bezug auf die interne digitale Transformation?
  2. Welche Faktoren stärken die Bereitschaft der Mitarbeitenden der Bundesverwaltung zu proaktivem Verhalten?
  3. Welche Handlungsempfehlungen können aus den Erkenntnissen für die Bundesbehörden abgeleitet werden?

Als potentielle Faktoren, die im Zusammenhang mit der Bereitschaft zu proaktivem Verhalten der Mitarbeitenden stehen, wird die Angemessenheit, Unterstützung der leitenden Führungskräfte, Selbstwirksamkeit und der persönliche Nutzen mittels einer quantitativen Befragung untersucht.

Abbildung 1: Ergänzung des „Modell[s] zur Erklärung der Proaktivität von Veränderungsempfängern und ihrer Ergebnisse" (Oreg et al. 2014, S. 40) um die vier potentiellen Faktoren (eigene Darstellung)

170 vollständige Antworten zeigen in der Analyse, dass die Befragten eine hohe Bereitschaft zu proaktivem Verhalten haben. Im Mittel zeigen sich sehr hohe Zustimmungswerte auf Seiten der Mitarbeitenden zu Aussagen von proaktivem Verhalten.

Bei den potentiellen Einflussfaktoren für die Bereitschaft zu proaktivem Verhalten ergeben sich positiv signifikante Zusammenhänge von Angemessenheit, Selbstwirksamkeit und persönlichem Nutzen. Es besteht jedoch kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Unterstützung der leitenden Führungskräfte und der Bereitschaft zu proaktivem Verhalten. Es gibt also sowohl Mitarbeitende, die sich unterstützt fühlen als auch die, die sich nicht unterstützt fühlen und jeweils bereit sind, sich proaktiv zu verhalten.

Für die Praxis bedeutet das:

  1. Um auf den Faktor Angemessenheit einzuzahlen, gilt es die Veränderungskommunikation zu stärken und mehr Transparenz zu schaffen.
  2. Obwohl kein Zusammenhang zwischen der Bereitschaft zu proaktivem Verhalten und der Unterstützung der leitenden Führungskräfte besteht, können auch hier unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden. Beispielsweise könnten Führungskräfte bessere Weiterbildungsmaßnahmen erhalten oder den Mitarbeitenden stärkere Unterstützungsmöglichkeiten unabhängig von ihren Führungskräften angeboten werden.
  3. Um den Effekt des Faktors Selbstwirksamkeit zu stärken, können Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen und erweitert werden. Zudem sollten Partizipationsmöglichkeiten ausgebaut werden.
  4. Um den persönlichen Nutzen auszubauen, können zusätzliche Anreize für Anpassungsleistungen gesetzt werden und für die Leistungen mehr Anerkennung gestiftet werden.

Daraus ergibt sich für Praktiker:innen ein breites Feld an konkreten möglichen Maßnahmen, die abhängig vom jeweiligen Umfeld bewertet und eingesetzt werden können. Dies reicht vom Einsatz von Gamification, um zusätzliche Anreize für Weiterbildungen zu setzen, bis hin zum Schaffen von Projektrollen, bei denen Mitarbeitende versuchsweise an Projekten teilnehmen, bevor sie sich aktiv einbringen. Die folgende Mindmap soll veranschaulichen, wie breit dieses Spektrum ist und als Ausgangspunkt zur weiteren Ideenfindung dienen.

Abbildung 2: Konkrete Maßnahmen-Empfehlungen (eigene Darstellung)

Die Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Verwaltungsmitarbeitende aktive Gestalter:innen und Treiber:innen der Digitalisierung sein bzw. werden können. Dies steht dem identifizierten Beharrungsvermögen gegenüber. Nun gilt es zu erforschen, woher diese Diskrepanz kommt, ob die Bereitschaft nicht in aktives Handeln übersetzt wird und falls doch, welche Faktoren die Übersetzung in ein aktives Handeln fördern. In der Folge ergibt sich die Frage, welche Rahmenbedingungen Verwaltungsmitarbeitende für ihr Handeln - in der Rolle der Change Agents - brauchen, um ihre Anstrengungen zum Erfolg zu führen. Jede und jeder Einzelne ist bereits jetzt gefragt, sich selbst und ihr bzw. sein Umfeld kritisch zu reflektieren und Ideen zur Förderung der Bereitschaft, des Handelns und der Digitalisierung zu generieren.

Die interne digitale Transformation der deutschen Bundesverwaltung – Die Bereitschaft zu proaktivem Verhalten der Mitarbeiter als Erfolgsfaktor nutzen
Bachelorarbeit »Die interne digitale Transformation der deutschen Bundesverwaltung – Die Bereitschaft zu proaktivem Verhalten der Mitarbeiter als Erfolgsfaktor nutzen«

Diese Studie untersucht wie ausgeprägt die Bereitschaft von Mitarbeitern der deutschen Bundesverwaltung ist, die interne digitale Transformation mit ihrem Verhalten proaktiv zu unterstützen. Die Studie fragt, ob die Faktoren Angemessenheit, Unterstützung der leitenden Führungskräfte, Selbstwirksamkeit, und Persönlicher Nutzen im Zusammenhang mit der Bereitschaft zu proaktivem Verhalten stehen.

Sie können die Bachelorarbeit von Joana Isabel Visel hier herunterladen.

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Quellen

Oreg, Shaul; Bartunek, Jean M.; Lee, Gayoung (2014): A model of recipients' change proactivity, in: Academy of Management Annual Meeting Proceedings, S.1–40.


Veröffentlicht: 30.08.2022