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Digital Innovation Team (DIT) – Lehren aus der Praxis

DIT

Digital Innovation Team (DIT) – Lehren aus der Praxis

von Adrian Bidlingmaier und Ines Hölscher

Editor's Note: Der Begriff der Agilität ist allgegenwärtig und der Ruf nach agilen Organisationen wird nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch im öffentlichen Sektor immer lauter. In unserer Blogreihe setzen wir uns mit der Herkunft und der Bedeutung des Agilitätsbegriffs auseinander, diskutieren die Anwendbarkeit des Konzepts im öffentlichen Sektor und stellen die Lehren aus der Praxis vor, die das DIT (Digital Innovation Team) aus seinen Erfahrungen mit agilem Arbeiten im Behördenkontext zieht.

Hier ein Überblick über alle Beiträge dieser Reihe:

  1. Agilität in der Verwaltung – Neue Herausforderungen benötigen neue Lösungen!
  2. Wann ist agiles Arbeiten in der Verwaltung zielführend? Eine Entscheidungshilfe
  3. Digital Innovation Team (DIT) – Lehren aus der Praxis

Es gibt sie: Arbeitsgruppen, von der Kommunal- bis zur Bundesbehörde, die bereits mit agilen Methoden arbeiten. Ein Beispiel ist das Digital Innovation Team (DIT) im Bundesinnenministerium (BMI), das seit dem 1. April 2019 existiert. Einerseits arbeitet das DIT selbst agil und selbstorganisiert, andererseits unterstützt es andere Behörden dabei, agile Methoden anzuwenden. Welche Erfahrungen hat das Team mit agilem Arbeiten in Behörden gemacht und was können andere Behörden davon lernen?

Warum braucht die Verwaltung das DIT?

Das DIT wurde gegründet, da die Einrichtung kleiner agiler Teams innerhalb einer Behörde die Möglichkeit bietet, auch innerhalb der starren Rahmenbedingungen einer klassischen Behörde Freiraum für neue Arbeitsweisen und Ideen zu schaffen.

Noch ist das DIT mit seiner Arbeitsweise ein Exot in der klassisch organisierten Bundesbehörde des BMI. Doch der Wunsch nach neuen Arbeitsweisen in der Verwaltung ist da, wie David Küster, zuständig für Innovationsmanagement im DIT, berichtet:

»Überraschend war für mich, wie viele willige Akteure es in der Bundesverwaltung gibt, die an neuen Themen und Ansätzen interessiert sind und tatsächlich etwas voranbringen wollen. Dabei ist die Vernetzung der Schlüssel zum Erfolg, um die Willigen zu entdecken und gemeinsam konkrete Projekte anzugehen. Auffallend ist dabei, wie viel mit den richtigen Leuten, der richtigen Einstellung und den richtigen Methoden in kurzer Zeit erreicht werden kann.«

Und auch Jan-Ole Beyer, Projektleiter des DIT, sieht große Chancen für die Verwaltung:

»Agiles, selbstorganisiertes und hierarchiefreies Arbeiten funktioniert sogar in einem ansonsten sehr stark hierarchisch geprägten Ministerium. Und ich habe den Eindruck, am Ende ist ein solches Arbeiten sogar krisenresilienter. Ein Beispiel: Es gab bei uns kaum Reibungsverluste, als wir Corona-bedingt ins Homeoffice gegangen sind. Denn jede:r Einzelne wusste, was die jeweiligen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsspielräume sind. Wir konnten also im Prinzip einfach weiterarbeiten, selbst als ein Kollege kurzfristig in den BMI-Krisenstab abgeordnet wurde. Und für mich als Projektleiter ermöglicht ein solches eigenverantwortlich, hochmotiviert arbeitendes Team, mich viel aktiver und effizienter in die Projektarbeit einzubringen als durch z.B. Kontrolle von Arbeitsergebnissen, Abzeichnen von Vorlagen oder Nachhalten von Umsetzungsplänen und Feinkonzepten, die sowieso bereits nach kürzester Zeit von der Realität überholt werden.«

Aufgaben und Ziele des DIT

Als »Think und Do Tank« hat es sich das DIT zur Aufgabe gemacht, agile Arbeitsweisen in der Bundesverwaltung zu etablieren und so digitale Innovationen voranzutreiben. Konkret geschieht dies in gemeinsamen Projekten mit Partnerbehörden und in Workshops, in denen das DIT die Mitarbeitenden der Bundesverwaltung befähigt, agiler zu arbeiten. In den Projekten kommt ein offener Innovationsprozess zur Anwendung, im Laufe dessen eine bestimmte Herausforderung gezielt adressiert wird und dessen Endergebnis stets ein konkretes, oft digitales, Produkt ist. Dabei sind Phasen der Erprobung und Reflektion integraler Bestandteil des Prozesses – dieses iterative Vorgehen ist typisches Charakteristikum agiler Methoden, wie im zweiten Blogbeitrag beschrieben wird.

Abbildung 1: Innovationsprozess zur Anwendung in Workshops mit Partnerbehörden (Quelle: DIT)

Indem die Mitarbeitenden der Partnerbehörden den Prozess selbst durchlaufen, lernen sie agiles Arbeiten ganz praktisch kennen. Auf diese Weise wird ausprobiert, was für die eigene Behörde sinnvoll ist und welche Methoden keinen Mehrwert stiften. Anschließend kann das erworbene Wissen in die Behörde getragen werden. So kann sich die Verwaltung selbst Know-How über neue Arbeitsweisen und agile Methoden aneignen und diese aktiv in den Arbeitsalltag integrieren. »Nur die praktische Anwendung von agilen Methoden sorgt dafür, dass man diese auch wirklich versteht und sieht, wo deren Anwendungsgrenzen liegen«, ist sich Maik Bartelt vom DIT sicher. Durch eine kontinuierliche praktische Anwendung agiler Methoden in der Behörde werden diese dauerhaft etabliert und verbreitet. Auf diese Weise entsteht innerhalb der Behörde eine Innovationskultur, die schnelle Problemlösungen in der Verwaltungsarbeit und erfolgreiche Projekte hervorbringt, und so wiederum Impulse für eine modernere Verwaltungskultur in Deutschland setzt, ist das DIT überzeugt.

Durch die praktischen Erfahrungen aus der Arbeit mit unterschiedlichsten Behörden konnte das DIT einige Lehren ziehen und Voraussetzungen identifizieren, die für eine erfolgreiche Etablierung agiler Methoden in einer Behörde elementar sind.

Lehren aus der Praxis

1. Unterstützung durch die Leitung muss auf die Bereitschaft der Mitarbeitenden treffen

Agiles Arbeiten erfordert Vertrauen und Unterstützung durch die Leitungsebene. In klassischen Linienstrukturen sind die Verantwortlichkeiten klar organisiert. In agilen Teams ist die Verantwortung für das Handeln jedoch dezentraler. Um agil arbeiten zu können, müssen die Führungskräfte daher ihren Mitarbeitenden vertrauen und Verantwortung an diese abgeben. Nur so können Teams wirklich selbstorganisiert arbeiten und stehen hinter den getroffenen Entscheidungen. Eine weitere Voraussetzung ist daher, dass die Mitarbeitenden auch gewillt sind, selbstorganisiert zu arbeiten. Aydan Portakaldali vom DIT meint dazu: »Ich habe gelernt, dass man in einem selbstorganisierten Team mehr Verantwortung übernehmen muss, und es manchmal auch anstrengend sein kann. Andererseits ist man dadurch dem Ziel und den Aufgaben mehr verpflichtet. Außerdem entwickelt man sich dabei persönlich weiter.«

2. Offene Räume erleichtern die Zusammenarbeit

Agiles Arbeiten erfordert häufig eine Referats- und fachübergreifende Zusammenarbeit. Einzelbüros mit geschlossenen Türen sind dafür suboptimal. Auch wenn agil arbeitende Teams in der Regel sehr digital arbeiten, ist auch der persönliche Austausch essenziell für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Um etablierte Silostrukturen in Verwaltungen aufzubrechen, ist ein direkter Austausch über Fachbereichsgrenzen besonders wichtig und wird durch offene Räume einfacher. Das DIT arbeitet daher in offenen Arbeitsräumen anstatt in Einzelbüros, was ein kollaboratives Arbeiten erleichtert. Auch für Workshops oder gemeinsames Arbeiten mit Projektpartner:innen eignen sich offene Räume besser, da sie eine direkte Kommunikation erlauben. Ebenso wichtig ist allerdings eine IT-Infrastruktur, die es Teams ermöglicht, ortsunabhängig zu kommunizieren.

3. Nutzerorientierung verinnerlichen, um erfolgreiche Lösungen zu entwickeln

Agile Methoden sind zwar kein Erfolgsgarant für Projekte, doch die Fokussierung auf spätere Nutzer:innen senkt die Gefahr, dass Lösungen am Bedarf vorbei entwickelt werden. Nutzer:innen können dabei je nach Projekt beispielsweise Bürger:innen oder auch Verwaltungsmitarbeitende sein. In den Projekten des DIT mit den Partnerbehörden ist die Nutzerorientierung zentral. Die Nutzer: innen werden frühzeitig in den Prozess eingebunden, im Idealfall findet eine Zusammenarbeit statt. In Nutzerinterviews und Workshops werden die Anforderungen an das neue Produkt erarbeitet. Die Nutzerforschung ist Teil eines jeden Projekts und muss im Projektmanagement berücksichtigt werden, um ein wirklich zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Das Einbeziehen verschiedener Perspektiven und ein ständiger Austausch mit allen relevanten Stakeholdern eines Projekts ist daher elementar. Durch die rasche Entwicklung von Prototypen kann frühzeitig evaluiert werden, ob die geplante Lösung den Wünschen entspricht.

4. Ein agiles Team als Inkubator für agile Arbeitsweisen installieren

Die Einrichtung eines agilen Teams als Inkubator in der eigenen Behörde kann Anstoß und Vorbild für agile Arbeitsweisen sein. Ausgestattet mit etwas mehr Freiheiten und mit unterschiedlichen Hintergründen können sich die Teammitglieder Wissen zu agilen Arbeitsweisen selbst oder durch die Hilfe von außen aneignen, neue Techniken und Methoden ausprobieren und diese in der eigenen Behörde teilen. So kann ein nachhaltiger Kulturwandel in Behörden angestoßen werden. Unterstützung von Personen mit Erfahrung mit agilen Arbeitsweisen kann dabei den Einstieg erleichtern. Auch ein erfahrener Coach, der das Team berät und begleitet, kann den Lernprozess beschleunigen, ist aber nicht zwingend notwendig.

Fazit

Das Digital Innovation Team (DIT) erlebt in seiner täglichen Arbeit mit Partnerbehörden starkes Interesse an neuen Arbeitsformen und große Offenheit gegenüber neuen Methoden. Gegründet wurde das DIT, um Innovation in die Verwaltung zu bringen, greifbar zu machen und Verwaltungsmitarbeitende zu befähigen, agile Methoden selbst anzuwenden. Ziel ist es, auf diese Weise Impulse für eine modernere Verwaltungskultur zu setzen. Damit dies gelingen kann, hat das DIT einige Faktoren identifiziert, die eine nachhaltige Etablierung agiler Arbeitsweisen in der Verwaltung erleichtern. Zunächst ist es wichtig, dass die Leitung den Einsatz agiler Methoden befürwortet und den Mitarbeitenden Vertrauen entgegenbringt. Aber auch die Mitarbeitenden müssen bereit sein, mehr Verantwortung zu übernehmen und selbstorganisiert zu arbeiten. Um kollaboratives Arbeiten über Hierarchie- und Referatsgrenzen hinweg zu ermöglichen, sind zudem offene Raumkonzepte hilfreich. Für eine erfolgreiche Anwendung agiler Methoden, die ein zufriedenstellendes Produkt hervorbringt, muss die Fokussierung auf die Nutzer:innen bei allen Projektbeteiligten verinnerlicht werden. Und zu guter Letzt kann die Einrichtung eines agilen Teams, dessen Mitglieder als Methodenexpert:innen und Multiplikator:innen innerhalb der Behörde agieren und agiles Arbeiten selbst vorleben, dazu beitragen, agile Arbeitsweisen in der Verwaltung zu etablieren.


Veröffentlicht: 27.08.2020