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Hat die Corona-Krise Innovationen in der Verwaltungsdigitalisierung befeuert?

Hat die Corona-Krise Innovationen in der Verwaltungsdigitalisierung befeuert?

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Julia Gräfe studiert BWL und Soziologie an der Universität Potsdam und arbeitet dort am Lehrstuhl für Public und Nonprofit Management. Sie ist Teil des Projektteams »Innovation durch Krise«.

Die Corona-Krise zwang die Verwaltungen, neue Wege zu gehen. Der oft beklagte digitale Rückstand musste innerhalb kurzer Zeit aufgeholt werden und es schien, als hätte der Lockdown im Frühjahr 2020 eine Innovationswelle in der öffentlichen Verwaltung ausgelöst.

Mit der Digitalkonferenz »Innovation durch Krise« am 4. Dezember 2020 untersuchte der Lehrstuhl für Public und Nonprofit Management der Universität Potsdam, welche Wandlungs- und Lernprozesse in der Verwaltung abliefen und wie viel zukünftig davon bleiben wird. Dazu wurden Verwaltungsmitarbeitende und Führungskräfte eingeladen, um gemeinsam in sechs verschiedenen Workshops Erfahrungen auszutauschen, Probleme zu identifizieren und Lösungen zu finden.

Arbeiten im Homeoffice benötigt einen Wandel im Führungsstil

Seit dem ersten Corona-Lockdown in Deutschland ist das Thema Homeoffice aktueller denn je. Schlagartig wurden Mitarbeitende ins Homeoffice geschickt, ohne Vorbereitung und Regelungen für die Arbeit von zu Hause. Führungskräfte sahen sich mit den Grenzen ihres Führungsstils konfrontiert. In den Konferenz-Workshops wurde von unterschiedlichen Erfahrungen berichtet (siehe Abb. 1).

Während einige Führungskräfte ihren Mitarbeitenden Vertrauen im Homeoffice entgegenbrachten, nutzten andere Vorgesetzte einen autoritären Führungsstil und forderten eine erhöhte Rechenschaftspflicht ein. Eine besondere Hürde war die Unsicherheit in der Zuständigkeit. Schnelle Absprachen waren nicht mehr möglich, was insbesondere durch die unterschiedliche Erreichbarkeit der einzelnen Teammitglieder bedingt war. Familiäre Verpflichtungen, Homeschooling oder persönliche Vorlieben führten zu einer Entgrenzung der Arbeitszeiten. Mitarbeitende fühlten sich alleingelassen, Teams brachen auseinander und es kam verstärkt zum Silodenken.

Daran ist auch der fehlende informelle Austausch schuld, auch wenn dem durch Lösungen wie digitalen Weihnachtsfeiern und Online-Kaffeerunden entgegengewirkt werden sollte. Videokonferenzen sind aktuell ein viel genutztes Medium, doch sollte der Einsatz gemäßigt stattfinden, denn er verursacht auf Dauer Stress bei den Beschäftigten. Mit dem Griff zum Telefon oder einem Gespräch im Präsenzbetrieb fühlen sich viele Mitarbeitende sicherer. So muss ein Gleichgewicht zwischen den Kommunikationsmitteln gefunden werden. Um all diese Herausforderungen bewältigen zu können und digitales Arbeiten effizient zu gestalten, ist ein Wandel im Führungsstil notwendig.

Erste Ansatzpunkte liegen in einem wertschätzenden Führungsstil, einer verständnisvollen Fehlerkultur und einer Vertrauensbasis gegenüber den Mitarbeitenden. Führungskräfte müssen als Vorbild fungieren, eine klare Rollenverteilung kommunizieren und auch Chat-Lösungen neben dem Mailverkehr einbinden.

Ungeachtet der vielen Schwierigkeiten hat sich die Wahrnehmung von Homeoffice bei den Mitarbeitenden überwiegend positiv gewandelt. Ein Ende der Präsenzkultur scheint trotzdem nicht in Sicht. Um Homeoffice und Präsenzarbeit in Zukunft bestmöglich zu vereinen, müssen auch innovative Lösungen wie Co-Working-Spaces und flexible Arbeitsräume gefunden werden.

Abbildung 1: Ergebnisse des Workshops »Digitales Führen und Arbeiten«

Die Prozessdigitalisierung scheitert nicht an technischer Machbarkeit

Die Erfahrungsberichte der Konferenzteilnehmenden zeigten, dass die Prozessdigitalisierung in der Krise vor allem bei der Kommunikation stattfand. Kritisiert wurde, dass analoge Prozesse übernommen und digital übersetzt wurden. Eine vollumfängliche Ad-hoc-Digitalisierung ist innerhalb weniger Monate allerdings unrealistisch.

Das ist nicht der technischen Machbarkeit geschuldet, vielmehr bremsen die Begleiterscheinungen den Fortschritt: interorganisationelle Absprachen, Datenschutz, Beteiligungsverfahren und fehlende technologische Kompetenzen beim Personal. Zudem stellt die technische Ausstattung noch immer ein Problem dar. Zwar hat beispielsweise das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den Umgang mit Vergaben gelockert, um die Anschaffung technischer Ressourcen zu vereinfachen, doch mangelte es an vielen Stellen an Kollaborations-Tools, VPN-Tunneln und mobilen Endgeräten (siehe Abb. 2). Notfalls nutzten die Mitarbeitenden aus Pragmatismus private Laptops. Selbst wenn viel Geld in Endgeräte, VPNs und besseres Internet investiert wird, nützt das nichts, solange die E-Akte nicht einsatzfähig ist. Die E-Akte ist das elektronische Pendant zur Papierakte und soll das Arbeiten und den Zugriff auf Dokumente erleichtern. Ohne sie gestaltet sich die Verwaltungsarbeit von zu Hause schwierig. Die technische Ausstattung erfüllt erst dann ihren vollen Zweck, wenn die Mitarbeitenden auch damit umzugehen wissen.

Damit eröffnet sich die wohl größte Schwierigkeit in der Digitalisierung: die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten. Auch wenn durch das Klischee der behäbigen Verwaltung leicht ein Schuldiger gefunden ist, lässt dies außer Acht, dass Mitarbeitende gleichzeitig ihr Tagesgeschäft erledigen und sich auf die neuen digitalen Arbeitsweisen einstellen müssen. Das erfordert Geduld und umfassende Schulungen, aber auch informelles Lernen und das Weitergeben von Wissen. Interorganisationelle Kooperationen könnten die Entwicklung vereinfachen und einen Austausch von Best Practices fördern. Die Teilnehmenden der Workshops berichten allerdings, dass die einzelnen Verwaltungsorganisationen eher auf sich allein gestellt sind. Kooperationen konnten kaum entstehen, angebotene Hilfe wurde aufgrund von Datenschutzbedenken und weiteren Hürden abgelehnt.

Abbildung 2: Ergebnisse des Workshops »Digitale Interaktion zwischen Verwaltung und Bürger:innen«

Die Krise zeigt, was möglich sein kann

Laut den Konferenzteilnehmenden braucht es eine positive Fehlerkultur, die den Akteuren die Angst nimmt, etwas falsch zu machen und Mut gibt, neue Wege zu gehen. Die Teilnehmenden fordern, dass die Verwaltungen der Digitalisierung weniger risikoavers und mit mehr Entschlossenheit begegnen sollten.

Im vergangenen Jahr ist viel schiefgegangen und es fehlt noch immer an ausreichenden Rahmenbedingungen, doch durch Corona wurden erste Schritte getan. Ob die Corona-Krise tatsächlich Innovationen in der Verwaltung hervorgebracht hat, ist fraglich. Eine eingescannte Unterschrift zu akzeptieren, kann man als innovativ bezeichnen, vielmehr ist es aber eine vorläufige Ersatzlösung. Trotzdem ist es als Gewinn anzusehen, dass die Verwaltungen sich solchen Arbeitsweisen öffnen.

Es fand eine Schwerpunktverschiebung statt, die die Ermessens- und Handlungsspielräume erweitert hat und den Mitarbeitenden zeigt, dass die digitale Transformation möglich ist. Die Hoffnung auf eine langfristige Veränderung durch Corona besteht zwar noch nicht, jedoch erscheinen Hybrid-Formate nun realisierbar. Innerhalb eines Jahres kann kein Ad-hoc-Wandel geschehen. Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung müssen die Mitarbeitenden wie auch die Bevölkerung mitgenommen werden. Es braucht Zeit, sich an die neuen Bedingungen anzupassen.

Das Projekt wurde von der Hochschulrektorenkonferenz sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Weitere Berichte zu »Innovation durch Krise« finden Sie unter www.innovationdurchkrise.org.


Veröffentlicht: 05.02.2021