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Künstliche Intelligenz für die Smart City – Ein Phänomen begreifen und praktischen Nutzen schaffen

Künstliche Intelligenz für die Smart City – ein Schlüssel für Verwaltungsinnovation und Bürgernähe

von und

Tabea Hein ist zertifizierte KI-Managerin und hat ihr Wirtschaftsinformatik-Studium mit einer Masterarbeit zu digitaler Transformation kommunaler Verwaltung abgeschlossen. Seit 2015 entwickelt sie als Inhouse Consultant in einer deutschen Großstadt Ideen zu Verwaltungsreformen.

Die Autoren beschreiben in ihrer Publikation »Künstliche Intelligenz für die Smart City - Handlungsimpulse für die kommunale Praxis« mit Fokus auf Use Cases die Grundlagen künstlicher Intelligenz, die wichtigsten Aspekte des Einsatzes in Kommunen sowie konkrete Ansätze zum Vorgehen.

Dr. Götz Volkenandt ist geschäftsführender Gesellschafter einer einschlägigen Beratungsgesellschaft (www.ai-concepts.com). Er verbindet technologische Innovationen mit der jeweiligen Strategie und berät herstellerneutral vor und bei der Einführung künstlicher Intelligenz. Sein Unternehmen entwickelt sowohl KI-Strategien als auch eigene technische Lösungsansätze (z.B. im Rahmen von Proof of Concepts).

Die Autoren beschreiben in ihrer Publikation »Künstliche Intelligenz für die Smart City - Handlungsimpulse für die kommunale Praxis« mit Fokus auf Use Cases die Grundlagen künstlicher Intelligenz, die wichtigsten Aspekte des Einsatzes in Kommunen sowie konkrete Ansätze zum Vorgehen.

Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, die Registermodernisierung, die Modellprojekte Smart Cities, Prozessoptimierungen, Projekte zu digitalen Zwillingen – diese Schlagworte umreißen nur einige Aspekte des aktuellen Mixes kommunaler Digitalisierung in Deutschland. Im Rahmen der Digitalisierung nähert sich die kommunale Ebene auch der künstlichen Intelligenz (KI) an. Obwohl KI bereits wesentlicher Bestandteil unseres Alltags ist, bestehen praktische Anwendungen in der Kommunalverwaltung aus verschiedenen Gründen wie rechtlichen Rahmenbedingungen, Diskussionen zu Ethik und Datenschutz, fehlendem Wissen und Kompetenzen bisher nur in Ansätzen.

Spürte die Kommunalverwaltung - als Garant für Rechtstreue und Verlässlichkeit - in der Vergangenheit Handlungsdruck im Wesentlichen aus Gesetzen und Verordnungen, agiert sie heute in von vielfältiger Partizipation geprägten, diskursiven Verhandlungssystemen. Die Anspruchsgruppen der Stadtgesellschaft erwarten eine zukunftsfähige Verwaltung, die modern und bürgernah agiert. Sie wünschen kundenfokussierte, digitale Dienstleistungen, die über bedienerfreundliche Oberflächen einfach zeit- und ortsunabhängig nutzbar sind. Hierzu kann KI neue Lösungsmöglichkeiten eröffnen.

Chancen und Vorteile

KI ist als Bestandteil einer IT-Lösung oft nur ein kleiner Teil der Software, der jedoch einen entscheidenden Wirkungsunterschied bedeuten kann. So kann z.B. der Posteingang des Rathauses mithilfe von Scannern digitalisiert werden. Doch die Zuordnung und Weiterleitung der so digitalisierten Post zur richtigen internen E-Mail-Adresse erfolgt häufig noch manuell. Nutzt man für diese Aufgabe eine KI, so wird der digitale Prozess der Zustellung nicht mehr durch einen manuellen Arbeitsschritt unterbrochen. Auch weitergehende Lösungen wie der automatisierte Entwurf einer Antwort auf festgelegte Anfragetypen sind möglich.

Die heutigen Lösungsansätze von KI zum Nutzen der Kommunalverwaltung und der Stadtgesellschaft sind fortgeschritten, insbesondere in den Bereichen der Sprach- und Textverarbeitung, der Bild- und Messdatenverarbeitung, in der Analyse komplexer Daten sowie in der Planung. Der Einsatz von KI in der Verwaltung bietet sich insbesondere bei seriellen Tätigkeiten an, um Mitarbeitende zu entlasten, etwa durch die automatisierte Prüfung von Dokumenten. So können Mitarbeitenden-Kapazitäten für komplexere Aufgaben, wie die Bürgerberatung oder Projekte, befreit werden. Interne Abläufe lassen sich teils vollständig automatisieren, digitale persönliche Assistenten können zu einer effizienteren Aufgabenerfüllung (auch auf Dienstgängen) beitragen.

Mithilfe von KI können Medienbrüche überwunden sowie Prozesse bei geringerem Ressourceneinsatz effizienter gestaltet und schneller durchlaufen werden. KI-Lösungen sind mit bilderkennenden Verfahren zur Überwachung von Umweltzonen, etwa in Amsterdam, oder zur automatisierten Verschlagwortung von Fotos, etwa im Stadtarchiv Heilbronn, im Einsatz. KI kann Vorhersagen treffen, unter anderem zu Schäden an Maschinen, Fahrzeugen oder Abwasserkanälen, wie im Projekt SEMA der Berliner Wasserbetriebe. Mehrwert kann in Entscheidungsvorbereitungen erzielt werden, beispielsweise für strategische Planungen von Entwicklungsvorhaben. Weitere positive Auswirkungen für die Stadtgesellschaft können schnellere Antragsverfahren, weniger Behördengänge, mehr Barrierefreiheit und Inklusion, etwa mittels Sprachassistenten, sein. Verminderte Prozesskosten führen zu einer geringeren Abgabenlast, vorausschauende Instandsetzung zu Straßen ohne Schlaglöcher, z.B. in Krailling. KI-Assistenzsysteme wirken in der Pflege dem Fachkräftemangel entgegen oder unterstützen Sicherheitsbegehungen auch in gefährlichen Situationen im Brand- und Katastrophenschutz.

Verortung und Einsatzfelder

Für ihren erfolgreichen Einsatz muss KI in der kommunalen Organisationsstruktur verortet werden, beispielsweise integriert in eine Digitalisierungsstabsstelle, als Team eines IKT-Amtes oder als zentraler Ansprechpartner »KI-Manager« wie in München.

Aufgrund unterschiedlicher Größen, Strukturen und Steuerungsebenen gibt es kein Patentrezept für die Einführung von KI in Kommunen. Experimentell, parallel und iterativ vorzugehen ist in der Anfangsphase vorteilhaft. So ist beispielsweise das Sammeln von Ideen und Wünschen aus verschiedenen Fachbereichen und Anspruchsgruppen der Stadtgesellschaft ebenso wichtig wie strategische Überlegungen - flankiert von begleitendem Lernen zum Thema KI, ohne das wiederum ein Bewusstsein für Handlungsmöglichkeiten und deren Umsetzung in KI nicht geschaffen werden kann. Die Abbildung gibt Anregungen, zeigt Möglichkeiten und eröffnet Handlungsräume.

Abbildung 1: Bausteine eines möglichen Vorgehens zur Einführung von KI (Illustration: ai concepts. KI-Einstiegsmöglichkeiten)

Jede Kommune legt eigene Schwerpunkte auf die Themenfelder der Smart City, wie Mobilität, Energie oder Kultur. Einzelne Maßnahmen erstrecken sich meist über mehrere Themen, wodurch organisationsübergreifende Koordinierung und Handeln auf verschiedenen Ebenen notwendig sind. Zweckmäßig werden KI-Projekte daher nach diesen Themenfeldern verantwortet, die ohnehin häufig quer zur Organisationsstruktur laufen. Stattdessen ist eine Zuordnung nach technischer Ausgestaltung vorteilhaft, wie Bilderkennung, Sprach- und Textverständnis oder »Planen, Steuern und Vorhersagen«. Gelingt ein Projekt in einem Arbeitsbereich, kann die technische Lösung – mit Anpassungen und entsprechenden Daten versehen – effizient auf andere, ähnlich geartete Problemstellungen in weiteren Ämtern und Betrieben übertragen werden.

Ideen, Projekte und Kompetenzen

KI ist kein Selbstzweck und stellt nicht für jedes Problem eine gute Lösung dar. Ihr Einsatz sollte in Bezug auf den potenziellen, zusätzlichen Nutzen im Prozess sowohl im Einzelfall als auch in wirtschaftlicher Abwägung verschiedener Umsetzungsideen überlegt getroffen werden. Zur Identifikation einer geeigneten Idee kann etwa eine Nutzwertanalyse in Form eines Auswahlschemas gute Dienste leisten. Kriterien können je nach thematischer Ausrichtung beispielsweise Anfragefrequenz der Leistung, Grad der Arbeitserleichterung, Art und Umfang der Verbesserung des Services für die Stadtgesellschaft, Reduzierung von Wartezeiten, Notwendigkeit der Verfügbarkeit außerhalb bestehender Servicezeiten usw. sein.

KI ist mehr als nur »neue Technik«. Projekte und Betrieb von KI-Lösungen stellen neue Fragen. Die Vergabe einer nicht vollumfänglich im Vorhinein definierbaren Lösung erfordert unter Umständen bisher nicht genutzte Verfahren, wie den wettbewerblichen Dialog oder die Innovationspartnerschaft. Die iterative Entwicklung der Softwarearchitektur bedingt ein agiles oder zumindest in Grundzügen hybrides Projektmanagement, wie beispielsweise in Bocholt. Die spezielle und wichtige Rolle der Daten, die Notwendigkeit von Workshops, Experimentierräumen oder Labs wie in München und Gelsenkirchen, Querschnittsdenken und organisationsübergreifendes Handeln, das aktive Einbeziehen der Stadtgesellschaft in Entscheidungen und Lösungen: all das und mehr sind Faktoren, die berücksichtigt werden müssen.

KI braucht neues Wissen und Fachkompetenzen über das Themengebiet »Digitalisierung« hinaus. Führungskräfte und Mitarbeitende müssen geschult werden, mittelfristig ist der Aufbau eigener Kapazitäten notwendig. Datenanalytische Expertise ist wichtig, um ein grundsätzliches Verständnis von KI zu erlangen, Ausschreibungen vorbereiten zu können und mit Dienstleistern zu interagieren. KI-Lösungen sind keine Fertigprodukte. Mit oder ohne Inanspruchnahme externer Beratung ist ein nicht unerheblicher Anteil an Eigenleistung durch kommunale Mitarbeiter:innen zu erbringen. KI-Projekte sind dann gut gelungen, wenn nicht nur das Ergebnis stimmt, sondern auch im Betrieb fachverantwortliche Personen die Qualität der KI-Lösung einschätzen und zumindest teilweise Anpassungen eigenständig vornehmen können - ohne in jedem Fall dazu Externe zu beauftragen.

Fazit

KI benötigt Aufmerksamkeit in den Kommunen und bietet vielfältige Chancen, Prozesse zum Wohl der Kommunalverwaltung und der Stadtgesellschaft zu verbessern. Die Verantwortung von Entscheidungen einer KI und ihrer Konsequenzen liegt weiterhin beim Menschen. Dies sollte jedoch kein Vorwand sein, KI-Projekte nicht anzugehen und umzusetzen. Wissen, Fachkenntnis und Erklärbarkeit von KI-Lösungen können Ängste zerstreuen, Widerstände auflösen und Akzeptanz schaffen. Der Einsatz von KI stellt andere Fragen an Vergabe, Projektmanagement, Betrieb, Organisation und Anspruchsgruppen und benötigt neue Antworten. Er bietet zahlreiche Vorteile und eine noch größere Anzahl an Einsatzmöglichkeiten über nahezu die gesamte Leistungspalette der Kommunalverwaltungen. Viele Lösungen sind schon durch andere Branchen erarbeitet und können teils mit wenigen Anpassungen auf die kommunale Verwaltung übertragen werden. Bereits umgesetzte Anwendungsbeispiele und Anregungen zu neuen Ideen finden sich in unserer Publikation.

Titelseite Künstliche Intelligenz für die Smart City - Handlungsimpulse für die kommunale Praxis

Künstliche Intelligenz für die Smart City - Handlungsimpulse für die kommunale Praxis

Hein, T., Volkenandt, G. (2020)

Berlin: Knowledge & Trends

E-Book-Ausgabe ISBN 978-3-943727-07-4

Print-Ausgabe ISBN 978-3-943727-08-1

Dieser Blogbeitrag »Künstliche Intelligenz für die Smart City – ein Schlüssel für Verwaltungsinnovation und Bürgernähe« von Tabea Hein und Dr. Götz Volkenandt ist lizenziert unter CC BY-NC-ND 3.0 DE.


Veröffentlicht: 02.03.2021