Waldbrände mit Daten löschen
Waldbrände mit Daten löschen
von Jan Dennis Gumz und Nassrin Hajinejad
Aufgrund des Klimawandels werden Waldbrände immer häufiger und zunehmend gefährlicher. Zur Prävention und Bekämpfung von Waldbränden zeigt das Kompetenzzentrum Öffentliche IT das Potenzial datengestützter Politikgestaltung am Beispiel eines Entscheider-Cockpits auf.
Die erhöhte Komplexität und Dringlichkeit der gesellschaftlichen Herausforderungen von heute (wie Klimawandel, Pandemie) verstärkt den Druck auf Entscheider:innen. In den letzten Jahren hat sich der Fokus auf die Nutzung von Daten als Basis für zielführende Entscheidungen verstärkt. Vor allem mit der Corona-Pandemie haben sich Dashboards als Informationsanzeige mehr und mehr etabliert. Dabei beschränkt sich die Funktionalität herkömmlicher Dashboards auf die Aggregation und Visualisierung von Daten. Doch die visuelle Aufbereitung von Daten allein reicht nicht aus, um Entscheider:innen beim Krisenmanagement zu unterstützen. Vielmehr kommt es auf die zweckdienliche Aufbereitung an. Was braucht es, um praktisch umsetzbare Entscheidungen zu unterstützen?
Wir zeigen das Potenzial datengestützter Politikgestaltung am Beispiel eines Entscheider-Cockpits zur Prävention und Bekämpfung von Waldbränden auf.
Steigende Waldbrandgefahr
Gesunde Wälder sind ein Schlüssel für Nachhaltigkeit. Sie tragen zum Erhalt einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten bei und dienen als Erholungsgebiete für Menschen. Darüber hinaus leisten einen wichtigen Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels, indem sie CO2 speichern. Unsere Wälder sind jedoch zunehmend bedroht. Für die Holzwirtschaft typische Monokulturen wie etwa Kiefernplantagen sind besonders anfällig für Schädlingsbefall. Brände verbreiten sich dort schneller als in Mischwäldern. Dürre und Hitze schwächen Bäume, wodurch sie weniger resistent gegenüber Schädlingen und Feuer sind. Monokulturen, Schädlingsbefall und Wetterextreme stellen also Bedrohungen für gesunde Wälder dar, die sich auch in ihrem Effekt gegenseitig verstärken. Waldbrände sind nicht grundsätzlich ein Problem, sondern zunächst ein natürliches Phänomen, das zur Erneuerung von Wäldern beiträgt. Aufgrund klimawandelbedingter Wetterextreme werden Waldbrände jedoch zunehmend großflächiger und führen so zu erheblichen ökologischen sowie ökonomischen Schäden. Mitunter bedrohen sie kritische Infrastrukturen oder sogar Menschenleben. Der Erhalt von gesunden Wäldern und die Prävention und Bekämpfung von Waldbränden ist daher wichtiger denn je.
Bei der Prävention und Bekämpfung von Waldbränden besteht derzeit das Problem, dass relevante Informationen weit verteilt sind und Daten oftmals zeitaufwändig manuell zwischen Systemen übertragen werden müssen. Dies kann u.a. schwerwiegende Folgen für die Einsatzplanung der Feuerwehr haben, da relevante Informationen zu spät zur Verfügung stehen oder gänzlich fehlen. Entscheider-Cockpits bieten die Möglichkeit durch die Erhebung, Sammlung, Analyse und Visualisierung von Daten, zeitnah evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen und so die Prävention und Bekämpfung von Waldbränden zu erleichtern.
Zusammen mit der Software AG hat das Kompetenzzentrum ÖFIT am Fraunhofer FOKUS einen Demonstrator für ein solches Entscheider-Cockpit entwickelt. Entlang der unterschiedlichen Phasen der Waldbrandbekämpfung, veranschaulichen wir die Nutzungsmöglichkeiten von Entscheider-Cockpits.
Ein Entscheider-Cockpit
Im Folgenden stellen wir den Demonstrator und seine wichtigsten Funktionen anhand von Screenshots vor.
Integrierte Datenbestände
Eine Voraussetzung für evidenzbasierte Entscheidungen ist die Zusammenführung und eventuelle Ergänzung der relevanten Daten an zentraler Stelle. Dazu gehören z.B. Echtzeitdaten zur lokalen Wetterlage, die mit vernetzten Sensoren engmaschig erhoben werden können. Zudem relevant sind Geodaten zum Waldzustand, die Auskunft geben über Holzvorrat und Totholzanteil, zur Artenvielfalt und zum Verhältnis von Nadelholz zu Laubholz. Von Bedeutung sind außerdem Geodaten zu kritischen Infrastrukturen, etwa Kraftwerken, und zu Ressourcen zur Brandbekämpfung, etwa Notunterkünften, Löschwasserquellen und Feuerwachen. Eine notwendige Voraussetzung für die Zusammenführung der Daten ist die Interoperabilität zwischen den unterschiedlichen Systemen.
Überregionale Visualisierung
Um diese Daten für Prävention und Bekämpfung von Waldbränden zu nutzen, müssen sie anschaulich visualisiert werden und das auch überregional, denn Waldbrände kennen keine Stadt-, Gemeinde- oder Landesgrenzen. So werden z.B. verfügbare Einsatzmittel in benachbarten Landkreisen zugänglich und können bei der Maßnahmenplanung mitbedacht werden.
Vorausschauende Risikoerkennung
Aus Daten zum Wetter und zum Waldzustand kann ein Index für das ortsabhängige Brandrisiko berechnet werden. Damit können risikoreiche Entwicklungen, die sich aus dem Zusammenspiel verschiedenster Faktoren ergeben, frühzeitig erkannt und strategische Maßnahmen erarbeitet werden. Ein solcher Index kann dann als Grundlage für ein Frühwarnsystem dienen, bei dem Warnungen automatisiert an Verantwortliche versendet werden.
Modellierung und Prognose
Um im Ernstfall Menschen in Sicherheit bringen und den Brand eindämmen zu können, können modellbasierte Prognosen die Entscheidungsfindung unterstützen. Zum Beispiel kann die Ausbreitung des Brandes in den nächsten 72 Stunden anhand verschiedener Szenarien mit unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten simuliert werden. Das ermöglicht die Planung und die Koordinierung erforderlicher Maßnahmen.
Effiziente Einsatz- und Ressourcenplanung
Um Maßnahmen einzuleiten, die sowohl effektiv als auch effizient sind, benötigen Entscheider:innen neben der Prognose von Bedarfen auch Informationen über verfügbare Einsatzkräfte und -mittel sowie die durch Inanspruchnahme entstehenden Kosten. Hier wird deutlich, dass eine Werte-orientierte Gestaltung der Benutzeroberfläche besonders wichtig ist.
Optimierte Koordinationsprozesse
Ist ein Waldbrand erfolgreich gelöscht, können Daten zum Brand, zu dessen Auswirkungen, zu den ergriffenen Maßnahmen zur Brandbekämpfung und zu den dahinterliegenden Prozessen erfasst und Verbesserungspotenziale identifiziert werden: Wurde z.B. ein Krankenhaus in der Umgebung des Brandherds nicht früh genug gewarnt, kann der Warnprozess für den zukünftigen Fall einer hohen Waldbrandgefahr automatisiert werden.
Ausblick
Mittelfristig erlaubt ein datenbasierter Ansatz eine kontinuierliche Verbesserung der Prävention und Bekämpfung. Mit den über die Zeit gewonnen Erkenntnissen ist es möglich, Erhebungsbedarfe für Daten zu identifizieren, Koordinationsprozesse zu optimieren und Modelle zu verfeinern.
Das hier vorgestellte Entscheider-Cockpit ist zunächst für die Anwendung durch Politik und Verwaltung konzipiert. Jedoch sind an andere Zielgruppen angepasste Varianten denkbar, z. B. als öffentlich zugängliche Open-Government-Data-Anwendung. Durch die aufbereiteten Informationen zu Waldgesundheit und Brandgefahr werden die Entscheidungen der Verwaltung dann auch für die Bürger:innen transparenter.
Lessons learned für die datengestützte Politikentscheidung
Um die datenbasierte Prävention und Bekämpfung von Waldbränden tatsächlich zu ermöglichen, müssen die dafür notwendigen Aufgaben angenommen werden. Wesentlich ist hier die Erhebung und Einpflege von Daten. Dabei gilt, je weitreichender und ressourcenintensiver die zu treffenden Entscheidungen sind, umso bedeutsamer ist die Qualität der zugrundeliegenden Daten. Vor dem Einsatz von Entscheider-Cockpits müssen daher die technischen und organisationalen Voraussetzungen zur Sicherstellung der Informationssicherheit geschaffen werden. Fehlende Datenstandards und veraltete technische Ausrüstung sind Hindernisse, die den tatsächlichen Einsatz von Entscheider-Cockpits verhindern können. Ein weiterer Aufgabenbereich ist die Modellierung. Nur mit fundiertem Domänenwissen können sinnvolle Modelle erarbeitet werden. Dazu gehört, dass erforderliche Kompetenzen miteinander verwoben, entsprechende Prozesse etabliert und den verantwortlichen Mitarbeiter:innen dauerhaft Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich hier um eine kontinuierliche Aufgabe, die in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Weiterführendes von ÖFIT:
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