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Wie wird aus einer deutschen Stadt eine Smart City?

Wie wird aus einer deutschen Stadt eine Smart City?

Gastbeitrag von

Harald Naumann ist ein anerkannter IoT/M2M-Experte mit primärem Interesse an der Implementierung von Funk-Anwendungen. Sein Fokus sind integrierte Antennen im drahtlosen IoT. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Berufserfahrung.

Heute ist er einer der Ideengeber bei den Experten für Antennen von akorIoT und Global Head of Business Development bei Crout GmbH. Naumann schreibt Fachaufsätze in verschiedenen Magazinen, veröffentlicht Studien rund um drahtloses IoT, betreibt seit 2009 einen Blog zu den Themen IoT und M2M und hat 2014 das »IoT M2M Cookbook - How to develop a device on wireless modules« geschrieben. In 2021 wurden zwei Studien zu LPWAN und eine weitere mit dem Titel “Low cost do it yourself PCB antennas for wireless IoT” veröffentlicht.

LinkedIn: http://in.linkedin.com/in/naumann
Xing: http://xing.com/profile/Harald_Naumann

Eine Smart City nutzt Technologien, um Dienstleistungen für seine Bürger:innen anzubieten und städtische Probleme zu lösen. Nach dem Smartphone kam das Smarthome. Inzwischen werden ganze Städte »smart«, also intelligent. Die Smart City soll den Verkehr und die sozialen Dienste verbessern und – beispielsweise durch die Reduzierung von Abfällen – zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.

Im alten Rom kamen Technologien wie Abwasserkanale und Aquädukte erstmals zum Einsatz[1], die das Leben der Bürger:innen erleichtern sollten. Wasserreserven waren so groß, dass man sich exorbitante Thermen und Badehäuser leisten konnte. Der dortige durchschnittliche Wasserverbrauch wird auf etwa 450 Liter pro Tag und Einwohner:in geschätzt[2], und damit in etwa drei Mal so hoch wie heute in Deutschland (126 Liter/p.P.).

2333 Jahre lang wurde die Anzahl der Erleichterungen konstant erweitert. Die öffentlichen Badehäuser gibt es nicht mehr. Inzwischen sind die gemeinsamen WCs auf dem Gang und die Plumpsklos weitestgehend verschwunden. In den letzten Jahren wurde durch die globale Erwärmung das Wasser knapp und wir wurden aufgefordert, zu sparen. Die nachhaltige Nutzung und Schonung dieser Ressource sind wichtige Themen einer modernen Gesellschaft. Städte sammeln Daten des Verkehrs, der Luft- und Wasserqualität, des Wasserstands an den Flüssen und vieles mehr. Mit den Informationen werden Probleme gelöst bzw. Vorhersagen getroffen. Um diese Daten zu generieren und aktiv ins Geschehen einzugreifen, brauchen die Verwaltungen Sensoren und Aktoren, sowie Software zur Visualisierung der Zustände.

Die Auswahl des Funknetzes

Für viele Anwendungen reicht ein LPWAN-Funknetz aus. LPWAN ist die Abkürzung für Low Power Wide Area Network. Zu den Wide Area Networks (= Weitbereichsnetzwerken) gehören unter anderem GSM, UMTS und LTE. Zu den LPWAN zählen NB-IoT, LTE-M, LoRaWAN, Sigfox, Mioty und viele mehr.

Die wichtigsten Charakteristika eines LPWAN sind:

  • Große Reichweite der Kommunikation
  • Niedriger Energieverbrauch
  • Geringe Datenrate
  • Geringe Kosten für die Geräte und Benutzung
  • Vereinfachte Topologie des Netzwerks
  • Flächendeckende Abdeckung
  • Skalierbarkeit des Netzwerks und Kapazitätserweiterung

 

Funknetzwerke mit großer Reichweite finden wir im lizenzierten (NB-IoT und LTE-M) und im unlizenzierten Frequenzbereich (LoRaWAN, Sigfox und Mioty). Die nächste Unterteilung erfolgt in öffentliche und nichtöffentliche Netze. LoRaWAN kann als öffentliches oder privates Funknetz im unlizenzierten Frequenzbereich betrieben werden. Sigfox wird als öffentliches Funknetz im unlizenzierten Frequenzbereich betrieben. Das deutsche Mioty kann wie LoRaWAN als öffentliches oder privates im Funknetz betrieben werden. NeoMesh nimmt eine Sonderstellung ein und wird für große vernaschte Netze im Innenbereich oder auch unterirdisch genutzt. Die Grafik unten zeigt die Übersicht möglicher Funktechnologien zur Lösung der Probleme in einer Smart City.

Abbildung 1: Übersicht von SubGHz-Funktechnologien für die Smart City (Grafik: Harald Naumann)

LoRaWAN

Wenn wir von »LoRa« sprechen, ist oft nicht der physikalische Layer mit Namen LoRa gemeint, sondern das »LoRaWAN«-Protokoll. LoRa ist ein Kunstwort aus den beiden englischen Wörtern »Long« und »Range«, wurde von Semtech als Marke registriert und steht somit symbolisch für »Große Reichweite«. LoRaWAN steht für »Long Range Wide Area Network« und ist eine bekannte, weitverbreitete LPWA-Technologie.

LoRaWAN nutzt 125kHz pro Kanal. Es werden drei Kanale mit 1% Duty-Cycle und fünf Kanäle mit 0,1% Duty-Cycle genutzt. 1% von 3600 Sekunden pro Stunde darf gesendet werden. Also am Ende nur 36 Sekunden und bei zwei Sekunden pro Telegramm nur 18 pro Stunde.

Sigfox

Der Name Sigfox hat explizit keine Bedeutung. Sigfox ist eine ältere LPWAN-Technologie und nutzt wie LoRaWAN und Mioty das lizenzfreie Band. Im Gegensatz zu LoRa und Mioty wird Sigfox im lizenzfreien Band als kostenpflichtige Dienstleistung angeboten. Ein eigenes privates Netz ist bei dieser LPWAN-Technologie nicht vorgesehen. Sigfox nutzt wie LoRaWAN das gleiche schmale Frequenzband. Auf nur 192kHz Bandbreite schafft es Sigfox, 1920 Funkkanäle unterzubringen. Ein Telegramm belegt den Kanal zwei Sekunden. Durch die geringe Bandbreite pro Kanal kann ein Sigfox-Gateway ein Vielfaches an Telegrammen verarbeiten als LoRaWAN.

Mioty

Mioty ist ein Kunstwort, welches sich aus »My« und »IoT« zusammensetzt. Da man das Y am Ende des Kunstwortes nicht spricht, bedeutet Mioty übersetzt einfach nur mein »IoT«. Mioty wird im Gegensatz zu LoRaWAN bisher nur als nicht öffentliches LPWAN im lizenzfreien Band angeboten.

Mioty zerhackt die Nutzlast aus 10-512 Byte in ganz kleine Pakete mit jeweils drei Bit plus Redundanz und 15ms Übertragungszeit und streut diese – anders als Sigfox und LoRaWAN - mit einer geringeren Frequenzbandbreite von nur 2,4kHz pro Kanal über 100kHz im lizenzfreien Band. Damit umgeht Mioty das Problem des Paketverlustes durch Interferenz besser als LoRaWAN und Sigfox. Selbst wenn bei Mioty die Hälfte der vielen kleinen Pakete verloren gehen, kann das Gateway die Nutzlast noch zusammensetzen.

NeoMesh

NeoMesh von Neocortec ist ebenfalls ein Kunstwort. Neo ist das griechische Wort für neu und Mesh ist die Abkürzung für das englische Wort »Meshnet«. NeoMesh bedeutet »neues vermaschtes Funknetz«. NeoMesh nutzt wie die bereits erwähnten LPWAN-Technologien das unlizenzierte Frequenzband. Mit NeoMesh lassen sich lokale Funknetze in einem Gebäude oder auch in einem Abwasserkanal sehr preiswert aufbauen. Bei NeoMesh fallen wie bei Mioty und LoRaWAN keine Kosten für die Kommunikation an.

NeoMesh belegt den Funkkanal nur mit 0,1% Duty-Cycle. Des Weiteren nutzt NeoMesh ein Frequenzsprungverfahren über 15 zufällige Kanäle. NeoMesh kann im Freifeld nur ca. 500m überwinden. Eine große Entfernung zu überwinden, wird von NeoCortec auch nicht angestrebt. Durch die sehr kurze Kanalbelegungszeit und die kurze Entfernung verringert sich bei NeoMesh die Wahrscheinlichkeit eines Paketverlustes deutlich. Im Gegensatz zu LPWAN erfolgt die Übertragung eines Paketes bei NeoMesh immer mit Quittung. Dadurch ist gewährleistet, dass eine Meldung bei einer Störung wiederholt wird und wichtige Meldungen wie zum Beispiel der zu hohe Pegel eines Abwasserkanales die Zentrale erreichen.

NB-IoT

NB-IoT ist die Abkürzung für Narrowband-Internet-of-Things. NB-IoT wird in Deutschland von drei Netzbetreibern mit ca. 70.000 Basisstationen angeboten. Die Mobilfunknetzbetreiber mussten dazu keine neuen Standorte errichten, sondern haben bestehende einfach umgerüstet. NB-IoT ist ein Funknetz im Funknetz.

Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen LPWAN und SubGHz-Meshnet gibt es bei NB-IoT kein Duty-Cycle. Es gibt keine Beschränkung der Sendezeit im Upload oder Download. Dadurch, dass der Frequenzbereich reguliert ist, gibt es keine Interferenzen durch andere Teilnehmenden im gleichen Band. NB-IoT arbeitet bei gleichlanger Funkstrecke mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit als die genannten LPWAN-Technologien und bietet ebenfalls einen gesicherten Quittungsbetrieb.

LTE-M

LTE-M ist die Abkürzung für »Long Term Evolution for Machines« und wird in Deutschland ebenfalls von drei Netzbetreibern mit ca. 70.000 Basisstationen betrieben. Auch hier mussten die Netzbetreiber keine neuen Standorte errichten. Neue Basisstationen arbeiten als sogenannte Single-RAN. Eine Single-RAN kann alle bekannten Mobilfunkstandards und alle noch nicht bekannten Standards bzw. Erweiterungen abdecken. Dies erreicht man durch sogenannte »Software-Defined-Radios« in der Basisstation.

LTE-M hat wie NB-IoT keine Begrenzung durch ein Duty-Cycle. Die Geschwindigkeit der Übertragung ist nochmals höher als bei NB-IoT. LTE-M und NB-IoT nutzen ähnliche Timer und Features, um den Energieverbrauch drastisch zu senken.

Zusammenfassung und Ausblick

In der Aufzählung der vielen Funktechnologien wurde nur ein paar Parameter verglichen. Alle aufgezählten Technologien benötigen weniger Energie als eine Verbindung mit GSM/GPRS. Ein Vergleich des Energieverbrauchs mit den unterschiedlichen Technologien findet sich in der Studie »Niedriger Energieverbrauch mit NB-IoT, LoRaWAN und Sigfox«[3].

In der kostenlos verfügbaren Studie »Smart City«[4] werden diverse Funktechnologien in Bezug auf die Anwendungen gegenübergestellt. Diese Studie geht auch auf die realen Kosten eines privaten LPWAN ein. Selbst wenn im lizenzfreien Band keine Kosten für die Lizenz entstehen, dann entstehen Kosten für Standortmiete, Installation, Wartung und mehr. Vor dem Hintergrund, dass eine SIM-Karte für NB-IoT und LTE-M mit deutlich mehr Funktionsumfang als privates LPWAN nur noch ca. ein bis 1,60€ kostet, ist es eventuell kommerziell nicht sinnvoll, ein privates Funknetz zu errichten.

Die Studie zeigt aber den Weg mit allen Risiken und Vorteilen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann man sagen, dass man mit nur einer der genannten Technologien nicht alle Anwendungen abdecken kann. Das beste Beispiel ist der Abwasserkanal. Unterirdisch oder bereits im Kanalschacht ist die Versorgung mit LPWAN im lizenzfreien und lizenzpflichtigen Frequenzband fast unmöglich. Im Abwasserkanal ist ein einfach bestehendes Beispiel, dass man mit einer Funktechnik nicht alle Probleme lösen kann.

Abbildung 2: NeoMesh mit Gateway verbindet die Sensoren und LPWAN verbindet diese nicht (Grafik: Harald Naumann)

Der kurze Spot auf die genannten Technologien soll zum Denken anregen. Die genannten Studien in deutscher Sprache helfen dabei, den Entscheidungsprozess zu beschleunigen. Wer sich nicht ganz sicher ist, welche Technik für welche Aufgabe die beste ist, sollte ein bis zwei unabhängige Berater beauftragen und die Ausarbeitung gegenüberstellen.

Die Studie zu LPWAN in der Smart City ist hier kostenlos verfügbar.

Weiterführendes von ÖFIT:

Ein Kompass für IT im öffentlichen Raum
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Übersetzung wertorientierter Ziele in Technik

Das White Paper beleuchtet am Beispiel Smart-City Herausforderungen bei der Konkretisierung von Gestaltungszielen für den öffentlichen Raum. Im Mittelpunkt steht dabei die Übertragung gesellschaftlicher Werte in Anforderungen an Technik.

Dr. Karoline Krenn, Jens Tiemann, Dr. Nassrin Hajinejad (2022)

Berlin: Fraunhofer FOKUS: Kompetenzzentrum Öffentliche IT

Zum White Paper »Ein Kompass für IT im öffentlichen Raum«
Safety, Security und Privacy im Internet der Dinge
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Das Internet der Dinge erfasst, in einem bisher nicht dagewesenen Detailgrad, immer mehr Aspekte unserer Umwelt. Die Verknüpfung von digitalen Prozessen und physischer Umwelt bringt Herausforderungen für die Sicherheit von Systemen und Menschen mit sich.

Gabriele Goldacker, Jens Tiemann (2020)

Berlin: Fraunhofer FOKUS: Kompetenzzentrum Öffentliche IT

Zum White Paper »Safety, Security und Privacy im Internet der Dinge«
Funkende Dinge
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Mobilfunk und WLAN empfinden wir als immer schneller: Hohe und permanent steigende Datenraten machen es möglich. Die Vernetzung der vielen kleinen funkenden Dinge im Internet of Things (IoT) erfordert jedoch andere Qualitäten. Niedriger Energieverbrauch kombiniert mit hoher Reichweite ist hier entscheidend. Dafür wird jetzt eine neue Familie sogenannter Low Power Wide Area - Funktechniken (LPWA) verfügbar. Wie lassen sich diese Techniken für das Gemeinwesen nutzbar machen?

Zum Trendthema »Funkende Dinge«

[1] Vgl. Hopson, Andreas: Römische Aquädukte | Technische Meisterleistung, in: Forum Traiani ®, 06.10.2014, [online] https://www.forumtraiani.de/roemische-aquaedukte-technische-meisterleistung/ [23.01.2021]

[2] Vgl. Wikipedia-Autoren: Wasserversorgung im Römischen Reich, in: Wikipedia.org, 19.02.2005, [online] https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserversorgung_im_R%C3%B6mischen_Reich [23.01.2021]

[3] Vgl. Naumann, Harald/Wilhelm Oelers: Low Energy Consumption with NB-IoT, LoRaWAN and Sigfox, in: akorIoT, 24.02.2021, https://www.akoriot.com/white-papers/ (abgerufen am 11.03.2022)

[4] Vgl. Naumann, Harald/Wilhelm Oelers: Smart City Umsetzung mit öffentlichen LPWAN oder privatem LPWAN, in: akorIoT, 24.02.2021, https://www.akoriot.com/white-papers/ (abgerufen am 11.03.2022)


Veröffentlicht: 07.07.2022