Mind the Gap: Wie gelingt ein nachhaltiger Wissenstransfer für die Verwaltung von morgen?

Mind the Gap: Wie gelingt ein nachhaltiger Wissenstransfer für die Verwaltung von morgen?

Dienstag, 10. Oktober 2023, 16 bis 20 Uhr
Fraunhofer ENIQ am EUREF Campus 23-24, 10829 Berlin

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Kompetenzzentrums Öffentliche IT kamen am 10. Oktober 2023 Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung im Fraunhofer ENIQ auf dem EUREF-Campus zusammen, um gemeinsam über Möglichkeiten eines nachhaltigen Wissenstransfers zu diskutieren.

Videoaufzeichnung: Mind the Gap: Wie gelingt ein nachhaltiger Wissenstransfer für die Verwaltung von morgen?

Wissenstransfer und Verwaltungsdigitalisierung im Fokus

Die Veranstaltung »Mind the Gap: Wie gelingt ein nachhaltiger Wissenstransfer für die Verwaltung von morgen?« markierte nicht nur das zehnjährige Bestehen des Kompetenzzentrums Öffentliche IT, sondern bot vor allem eine wichtige Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung. Auf einer Podiumsdiskussion rund um das Thema Transferkultur folgten Impulse sowie ein Salongespräch zur Geschichte und künftigen Ausrichtung von ÖFIT vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung. ÖFIT gab seinen Gästen darüber hinaus anhand von fünf Themeninseln einen interaktiven Einblick in seine neusten Forschungsergebnisse und aktuelle Forschungsvorhaben.

 

Ralf Dubbert | Quelle: Paul Hahn / Fraunhofer FOKUS

Begrüßung und Eröffnung

In ihren Grußworten würdigten Ralf Dubbert, Referatsleiter im Bundesministerium des Innern und für Heimat, und der Leiter des Fraunhofer-Instituts FOKUS, Prof. Dr. Manfred Hauswirth, die Arbeit des Kompetenzzentrums Öffentliche IT der letzten zehn Jahre und gaben der anschließenden Podiumsdiskussion einige Gedanken mit auf den Weg. Ralf Dubbert hob die die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wissensmanagements hervor und bedankte sich beim gesamten ÖFIT-Kollegium, das die Arbeit des Bundesministeriums mit tiefergehenden Erkenntnissen aus der Forschung unterstütze und damit eine wichtige Ressource beim Umgang mit Trends und Digitalthemen sei. Er betonte dabei die anhaltende Relevanz des ÖFIT für die gemeinsame Bewältigung zukünftiger Herausforderungen.

Manfred Hauswirth | Quelle: Paul Hahn / Fraunhofer FOKUS

Prof. Dr. Manfred Hauswirth sprach über konkrete Fortschritte und Projekte des Kompetenzzentrums Öffentliche IT und unterstrich dessen nachhaltige Bedeutung für den wechselseitigen Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung. Er bedankte sich dafür, dass ÖFIT wissenschaftlich fundierte Antworten auf Fragen der öffentlichen Hand gebe, und benannte dies als ein wichtiges Investment in die Demokratie.

Podiumsdiskussion: Herausforderungen und Lösungsansätze

Während der Podiumsdiskussion wagte sich das fünfköpfige Panel mit seinen unterschiedlichen Perspektiven an die aktuellen Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung und des Wissenstransfers. Moderator Matthias Punz, Leiter des Digitalwende-Dossiers der Süddeutschen Zeitung, führte durch das Gespräch. Prof. Dr. Moreen Heine, Professorin für E-Government und Open Data Ecosystems an der Universität zu Lübeck, unterstrich die Notwendigkeit, das theoretische Wissen mit der Praxis zu verbinden, und plädierte für einen regen Austausch zwischen den relevanten Gruppen auf verschiedenen Plattformen. Mit Hilfe klarer Strategien und kluger Priorisierungen der Themen könnten so Ergebnisse hervorgebracht werden, die einen nachhaltigen Erfolg ermöglichten. Wissenschaftliche Projekte nähmen häufig eine mittel- bis langfristige Perspektive, weswegen bei gemeinsamen Projekten ein klares Erwartungsmanagement notwendig sei.

Matthias Punz, Lena-Sophie Müller, Prof. Dr. Peter Parycek, Dr. Henriette Litta, Prof. Dr. Moreen Heine | Quelle: Paul Hahn / Fraunhofer FOKUS

Dr. Henriette Litta, Geschäftsführerin der Open Knowledge Foundation, rückte den Austausch zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung in den Fokus. Das Wissen in der Zivilgesellschaft sei vorhanden, allerdings erfordere der Transfer in die Verwaltung klar formulierte Zielsetzungen und eine Priorisierung der eigenen Anliegen. Derzeit sei die Zielsetzung bei Beteiligungsprozessen häufig nicht transparent genug, was die Koordination und Vorbereitung seitens der Zivilgesellschaft erschwere. Es brauche ein höheres Maß an Organisation und Bündelung der bestehenden Wissensressourcen in Beteiligungsprozessen, um diese gesammelt und zielgerichtet in die Verwaltung zu übergeben.

Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, betonte die Bedeutung von Lernprozessen und der Entwicklung hin zu einer Lernkultur, in der Fehler ebenso wie Erkenntnisgewinne möglich sein sollten. Sie mahnte an, die zivilgesellschaftlichen Kräfte stärker einzubinden und dabei auf Diversität und Vielfältigkeit zu achten. Für zivilgesellschaftliche ebenso wie für wissenschaftliche Einrichtungen liege eine entscheidende Herausforderung darin, das vorhandene Wissen adressatengerecht und anschlussfähig zu kommunizieren.

Prof. Dr. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT, sprach sich für eine agile Abstimmung zwischen den Akteur:innen aus. Für den Kompetenzaufbau seien neben den Prozessen vor allem Menschen zu betrachten und zu fördern, die an der Umsetzung von Entschlüssen und Maßnahmen beteiligt seien. Aus wechselseitiger Transparenz könne ein Vertrauensverhältnis erwachsen, das die Grundlage einer fruchtbaren Zusammenarbeit sei. Er unterstützte die Idee von Innovationszentren innerhalb der Verwaltung, die praxisnahe und kollaborative Forschung zu Zukunftsfragen fördern könnten.

Matthias Punz, Jens Fromm, Prof. Dr. Peter Parycek, Martin Schallbruch | Quelle: Paul Hahn / Fraunhofer FOKUS

Salongespräch und Impulse: Reflexion und Ausblick

Auf zehn Jahre ÖFIT blickte man im anschließenden Salongespräch zurück, bei dem sowohl Erfolge als auch Herausforderungen thematisiert wurden. Dank spannender Denkanstöße aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Digitalisierungspraxis erfuhr die Diskussion eine weitreichende Erfahrungsbreite. Die unterschiedlichen Perspektiven gaben darüber hinaus wertvolle Impulse für die zukünftige Arbeit des ÖFIT.

Dazu waren mit Jens Fromm und Martin Schallbruch zwei Wegbegleiter der ersten Stunde anwesend, die mit Prof. Dr. Peter Parycek über persönliche Erlebnisse ihrer Zeit mit ÖFIT berichteten sowie darüber diskutierten, wie die Forschungsschwerpunkte, Methoden und der Auftrag von ÖFIT in Zukunft aussehen könnten.

Der ehemalige ÖFIT-Leiter Jens Fromm erinnerte an die Idee zur Gründung eines neuen Kompetenzzentrums und die akribische Ausarbeitung des ersten Zuwendungsantrags. Dabei sei es vor allem darum gegangen, öffentliche Informationstechnik neu und übergreifend zu denken, jenseits allen Silo- und Ressortdenkens. Seit seiner Gründung habe ÖFIT sein Themenspektrum kontinuierlich erweitert. Als persönliches Highlight erinnerte er an die erfolgreiche wissenschaftliche Begleitung bei der Einführung des neuen Personalausweises (nPA). Auch Martin Schallbruch lobte die damalige Zusammenarbeit und die daraus hervorgegangenen Ergebnisse. Er fügte hinzu, dass man bei der Gründung des ÖFIT neue Wege gegangen sei, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf langfristiger Ebene erst ermöglicht habe.

Prof. Dr. Ina Schieferdecker, TU Berlin und Gründungsdirektorin des Weizenbaum-Instituts, stärkte die Position der Forschung und mahnte zugleich, dass das vorhandene Wissen in echte Lösungen und Piloten umgesetzt werden müsse. Sie forderte die Stärkung des Transfers von Innovationen zu echten praktischen Ergebnissen und regte eine Verwaltungsdigitalisierung von innen heraus an – zum Beispiel mit Hilfe von Praktika und Innovationsfellowships.

Matthias Punz, Jens Fromm, Prof. Dr. Peter Parycek, Martin Schallbruch, Christina Lang, Caroline Paulick-Thiel | Quelle: Paul Hahn / Fraunhofer FOKUS

Christina Lang, Mit-Gründerin und Geschäftsführerin der DigitalService GmbH, zeigte auf, wo der Transfer von Wissen und Expertise von Relevanz sei und wo er seine Grenzen finde. Sie wies darauf hin, dass zivilgesellschaftliche Organisationen ebenso wie die Verwaltung eine begrenzte Leistungsfähigkeit zur Steuerung externen Wissens aufwiesen. Sie fokussierte vor diesem Hintergrund die Innovationskraft, die aus guter wissenschaftlicher Arbeit entstehen könne, und sprach sich für einen stärkeren Kompetenzaufbau innerhalb der öffentlichen Verwaltung aus. Damit die Organisation von Digitalisierung gelinge, sei es erforderlich, aus einer Problembeschreibung heraus konkrete Lösungsvorschläge vorzulegen.

Der Beitrag von Caroline Paulick-Thiel, Direktorin und strategische Designerin von Politics for Tomorrow, beleuchtete institutionelles Lernen in Verknüpfung mit den Entscheidungsprozessen in der Verwaltungsdigitalisierung. Sie betonte den Wert, den das Netzwerk rund um ÖFIT biete, und schlug wiederkehrende und institutionalisierte Treffen unterschiedlicher Stakeholder vor, um adaptiv auf Krisen reagieren und zugleich proaktiv gestalten zu können. Veränderung müsse organisiert werden und gerade deshalb sei es notwendig, sich selbst ständig zu hinterfragen, sowie das Machbare stetig neu auszuloten.

Entdecken der ÖFIT-Themeninseln | Quelle: Paul Hahn / Fraunhofer FOKUS

Demonstratoren, White Paper & interaktive Tools: Die Arbeit des Kompetenzzentrums Öffentliche IT

Reflexion, Austausch und Vorausschau war der inhaltliche Dreiklang, der die Jubiläumsveranstaltung prägte. Entscheidend dafür waren auch die fünf verschiedenen Themeninseln, an denen ÖFIT seine aktuelle Arbeit vorstellte und mit interessierten Gästen ins Gespräch kam. Unterteilt in die verschiedenen Forschungsschwerpunkte konnten alle Interessierten Einblick in die Arbeit von ÖFIT gewinnen, Fragen stellen und die verschiedenen Tools und Demonstratoren selbst ausprobieren und entdecken.

ÖFIT-Leiter Prof. Dr. Peter Parycek wies nach den Vorträgen und Diskussionen den Reifegrad vieler bestehender Gremien und das hohe Niveau der vorhandenen Expertise hin. Die aktuelle Herausforderung liege im Zusammenspiel der Akteure, bei der Zuweisung von Rollen und Verantwortlichkeiten sowie der richtigen Governance, um Deutschland erfolgreich zu digitalisieren. Dabei unterstrich er die Rolle des ÖFIT, das im Verbund mit Praktiker:innen aus der Verwaltung sowie der Zivilgesellschaft interdisziplinäre Forschung auf Augenhöhe betreibe und damit technisches und methodisches Fachwissen generiere, das zur Stärkung der Kompetenzen in der Verwaltung genutzt werden könne.