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ZenDiS: Die deutsche Drehscheibe für Digitale Souveränität

ZenDiS: Die deutsche Drehscheibe für Digitale Souveränität

Gastbeitrag von

Andreas Reckert-Lodde ist seit der Gründung des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) als dessen Interimsgeschäftsführer tätig.

Zwischen 2003 und 2007 absolvierte er den Diplomstudiengang Elektrotechnik mit Schwerpunkt auf Nachrichten- und Kommunikationstechnik. Später, zwischen 2012 und 2014, erwarb er den Master of Disaster Management and Risk Governance im Bereich der Katastrophenvorsorge und des Katastrophenmanagements. Von 2008 bis 2016 arbeitete er bei der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) und war in dieser Zeit als Teamleiter für Betriebssicherheit und strategische Funknetzplanung tätig.

Seit 2016 ist Hr. Reckert-Lodde als Referent im BMI tätig und war bei der Gesamtprojektleitung IT-Konsolidierung Bund sowie für die Digitale Souveränität der IT der öffentlichen Verwaltung tätig. Zwischen 2019 und 2022 war er zudem Leiter der Arbeitsgruppe Cloud Computing und Digitale Souveränität des IT-Planungsrates.

Das ZenDis freut sich bereits jetzt über Initiativbewerbungen unter: https://zendis.de/#jobs

Ein Überblick über alle Beiträge dieser Reihe befindet sich hier: Blogreihe Open Source

Das Problem der digitalen Abhängigkeit

Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung schafft für Bürgerinnen und Bürger neue Möglichkeiten und effizientere Abläufe, während sie für die Verwaltung Entlastung und Chancen bringt. Um diese Vorteile jedoch realisieren zu können, ist eine umfangreiche digitale Modernisierung in sämtlichen Verwaltungsbereichen erforderlich. Mit fortschreitender Digitalisierung steigen aber auch die Abhängigkeiten – oftmals zu den Lösungen einiger großer IT-Anbieter. Der öffentlichen Hand werden durch diese vollintegrierte Komplettpakete geboten, die in sich kompatibel und einfach zu nutzen sind.

Dadurch entstehen gleichzeitig strategische und finanzielle Risiken: einerseits der Verlust der Kontrolle über die eigene IT-Infrastruktur und andererseits die Gefahr, der Preisgestaltung dieser Unternehmen schutzlos ausgeliefert zu sein. Zudem lässt der Einsatz von Softwarelösungen großer IT-Konzerne wenig Raum für die Berücksichtigung spezifischer Entwicklungsbedürfnisse der Verwaltung.

Die Lösung: Open-Source-Software

Um die Herausforderungen der Abhängigkeit zu adressieren, haben Bund, Länder und Kommunen im IT-Planungsrat eine Strategie zur Stärkung der digitalen Souveränität beschlossen. Deren Eckpfeiler sind die Herstellung von technologischer Unabhängigkeit, Wechselfähigkeit auf andere Softwaremodelle und die Gestaltungsfähigkeit der öffentlichen Hand.

Die öffentliche Verwaltung soll frei zwischen IT-Lösungen, IT-Komponenten und Anbietern wählen und wechseln können. Dies wird möglich gemacht durch Open-Source-Software (OSS). Schon heute gibt es moderne, leistungsfähige und skalierbare OSS-Alternativen zu den gängigen Anwendungen von großen Anbietern.

Die globale Kollaboration innerhalb der OSS-Community fördert nicht nur Innovationskraft und Weiterentwicklung, sondern auch die Sicherheit der Softwarelösungen. Die Gemeinschaft aus fachlichen Expertinnen und Experten entwickelt neue Produkte in einem fortlaufenden und sich stets selbst prüfenden Prozess. Die resultierenden Open-Source-Anwendungen lassen sich individuell an die Bedarfe der öffentlichen Verwaltung anpassen. Dank des öffentlich einsehbaren und frei nutzbaren Quellcodes werden sowohl Sicherheit als auch Kosteneffizienz gesteigert. Offene Standards und Schnittstellen vergrößern zudem die Unabhängigkeit von großen IT-Anbietern und fördern die systemübergreifende Interoperabilität. Die Förderung und Weiterentwicklung dieses OS-Ökosystems ist ein wichtiges Ziel des Zentrums für Digitale Souveränität (ZenDiS).

Die Initiative ZenDiS

Um die öffentliche Verwaltung beim Umstieg auf OSS zu unterstützen, gründete das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) im Auftrag des IT-Planungsrates am 14. Dezember 2022 das Zentrum für Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung GmbH. Als gemeinsame Initiative von Bund und Ländern unterstützt das ZenDiS gezielt bei der Co- und Weiterentwicklung sowie bei der Pflege und dem Support von OSS-Lösungen. Darüber hinaus bietet das ZenDiS Fachberatung an, um der öffentlichen Hand zu helfen, ihre digitale Infrastruktur modular, sicher und unabhängig auszurichten und die Ziele der Digitalen Souveränität in der Verwaltungs-IT fest zu verankern.

Aufgaben und Produkte

Ein zentraler Fokus des ZenDiS in seiner Anfangsphase wird die Rolle als Open-Source-Programm-Office für die öffentliche Hand sein, wobei ein Schwerpunkt auf Weiterentwicklung von Open-Source-Software liegt. Diese erfolgt in Zusammenarbeit mit OSS-Distributoren und IT-Dienstleistungsunternehmen. Im weiteren Verlauf wird das ZenDiS sein Engagement ausweiten, um die digitale Souveränität auch in weiteren Bereichen aktiv zu fördern.

Insbesondere übernimmt das ZenDiS die zentrale Koordination für openDesk, ehemals als »Souveräner Arbeitsplatz« bekannt, einer Open-Source-Alternative für gängige Textverarbeitungs- und Kollaborationstools. ZenDiS wird hier die Produktverfügbarkeit sicherstellen, damit die verschiedenen IT-Dienstleister openDesk betreiben können. Die Lösung verfügt über einen modularen Aufbau, bei dem Nutzerinnen und Nutzer bereits verfügbare Bestandteile wie Videotelefonie, E-Mail & Kalender oder Tabellenkalkulation nach Bedarf hinzufügen können.

Um den Zugang zu Open-Source-Lösungen wie openDesk zu vereinfachen, stellt das ZenDiS verfügbare Software auf der Plattform Open CoDE bereit. Diese zentrale Ablage ermöglicht es den Verwaltungen und der globalen Open-Source-Community, offenen Quellcode gemeinschaftlich zu nutzen und weiterzuentwickeln. Gegenwärtig werden sowohl openDesk als auch Open CoDE vom BMI getragen und zeitnah an das ZenDiS übergeben.

Das ZenDiS dient zudem als Katalysator zur Förderung von OSS in der Verwaltung, indem es Hindernisse abbaut und die OSS-Nutzung aktiv vorantreibt. Es ist in einer Bandbreite von Aktivitäten engagiert, die von der Identifizierung und Evaluierung verwaltungsrelevanter OSS-Lösungen bis hin zur aktiven Mitgestaltung der Weiterentwicklung reichen. Ziel ist es, ein dynamisches Open-Source-Ökosystem für die öffentliche Verwaltung zu etablieren. Als »Matchmaker« zwischen öffentlicher Hand und (inter-)nationaler Open-Source-Community werden Brücken gebaut und der Dialog gefördert, sodass Anforderungen und Bedürfnisse aus der Praxis direkt in die Entwicklung von OSS-Lösungen einfließen können.

Auf der anderen Seite arbeitet das ZenDiS durch Aufklärung und Sensibilisierung daran, die Vorteile von OSS innerhalb der Verwaltung bekannt zu machen und praxisgerechte Integrationswege in bestehende Arbeitsprozesse aufzuzeigen. Als Ergänzung hierzu stehen umfangreiche Beratungs- und Informationsangebote zu OSS-Produkten, -Dienstleistungen und -Lizenzen zur Verfügung. Praxisorientierte Beschaffungsrichtlinien bieten zudem eine klare Orientierung für die erfolgreiche Implementierung von Open-Source-Software.

Geschäfts- und Beteiligungsmodell

Das ZenDiS wird durch öffentliche Aufträge finanziert. Um den Vergabeprozess so schlank und flexibel wie möglich zu gestalten, beteiligen sich alle Auftraggeber als Gesellschafter an der ZenDiS GmbH. Dies ermöglicht es öffentlichen Stellen, die Gesellschafter der ZenDiS GmbH sind, die angebotenen Leistungen im Rahmen einer Inhouse-Vergabe in Anspruch zu nehmen.

Derzeit ist der Bund, repräsentiert durch das BMI, der einzige Gesellschafter der ZenDiS GmbH, wodurch eine Beauftragung durch die Bundesverwaltung bereits jetzt möglich ist. Die Einbindung der Bundesländer ist derzeit in Planung, wobei Schleswig-Holstein und Thüringen schon im Prozess des Beitritts stehen. Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, haben ihre Beitrittsabsicht bekundet. Dadurch kann das ZenDiS künftig auch durch die Länder beauftragt werden.

Dank dieser Struktur können Projekte über Verwaltungsebenen hinweg schnell, unkompliziert und im Einklang mit dem Vergaberecht umgesetzt werden. ZenDiS agiert dabei als Projektträger und fördert die sektorübergreifende Kooperation.

Nächste Schritte

Durch die aktuell laufenden Stellenausschreibungen zur Zusammenstellung eines kompetenten Teams, kann das ZenDiS bald mit der operativen Arbeit beginnen. Weiterhin stehen aktuell die Etablierung organisatorischer Rahmenbedingungen und die Klärung zentraler strategischer Fragen im Vordergrund. Das ZenDiS wird in Kürze die Trägerschaft für die Open CoDE-Plattform übernehmen und die Weiterentwicklung von openDesk leiten. Mit einem baldigen Standort in Bochum, wird das ZenDiS seine Vision einer digital souveränen öffentlichen Verwaltung weiter vorantreiben.

Weiterführendes von ÖFIT:

Digitale Souveränität als strategische Autonomie - Umgang mit Abhängigkeiten im digitalen Staat

Digitale Souveränität soll dazu beitragen, dass der Staat seine Aufgaben auch bei zunehmender Digitalisierung erfüllen und öffentliche Leistungen verlässlich erbringen kann. Im Erhalt, Wiedererlangen und Vergrößern digitaler Souveränität lässt sich bereits eine neue Staatsaufgabe erkennen. Diese Aufgabe erfordert einen bewussten, strategischen Umgang mit digitalen Abhängigkeitsgraden. Mit dem vorliegenden White Papier stellen wir eine Systematik zur Identifikation und Bewertung digitaler Abhängigkeiten im Staatshandeln vor und zeigen verschiedene Handlungsoptionen für Staat und Verwaltung auf.

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Die Strukturen und Prozesse zu Fragen der IT-Standardisierung sind innerhalb der öffentlichen Verwaltung bislang noch weitgehend durch verteilte Zuständigkeiten, eine fehlende Gesamtsystematik und eine unzureichende übergreifende Lenkung und Koordinierung geprägt und werden der wachsenden Bedeutung von IT immer weniger gerecht. Auf der anderen Seite stellt IT-Standardisierung ein wesentliches Schlüsselelement der Digitalisierung dar, insbesondere wenn es darum geht, staatliche Handlungsfähigkeit und Souveränität in diesem Bereich zu gewinnen und zu gewährleisten. Es wird daher eine übergreifende Standardisierungsarchitektur vorgeschlagen und skizziert, in welcher die föderal und ressortbezogen verteilten IT-Standardisierungsaktivitäten trotz dezentraler Zuständigkeiten dennoch eingeordnet, systematisiert und übergreifend gelenkt und koordiniert werden können.


Veröffentlicht: 01.11.2023